Junge Welt, 08.08.2011

»Das ist genau die richtige Adresse«

Demos in Airports: Bayerischer Flüchtlingsrat berief sich für Protest gegen Abschiebung auf Bundesverfassungsgericht. Gespräch mit Tobias Klaus

 

Tobias Klaus ist Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats

Der Bayerische Flüchtlingsrat und andere Organisationen haben am Samstag im Flughafen München gegen Abschiebe-Airlines demonstriert. Ein Verbot des Landratsamts Erding, Demonstranten zum Terminal 2 vorzulassen, wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in zweiter Instanz aufgehoben, nachdem der Bayerische Flüchtlingsrat mit einem Eilantrag erfolgreich geklagt hatte. Warum lag Ihnen soviel daran, genau dort zu protestieren?
Nachdem das Bundesverfassungsgericht erlaubt hat, in Flughäfen zu demonstrieren, war es uns wichtig, das auch in Bayern und speziell in München durchzusetzen. Besonders interessant ist es für uns, auch im Check-in-Bereich gegen Abschiebungen zu protestieren, weil dort die Abschiebe-Airlines sitzen und Passagiere in den Boarding-Bereich gehen. Das ist genau die richtige Adresse, um zu verdeutlichen, daß mit menschenunwürdigem Vorgehen gegen Flüchtlinge keine Geschäfte gemacht werden dürfen.

Warum hat man trotz der anderslautenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wieder versucht, das Demonstrationsrecht einzuschränken?
Wenn man sich vergegenwärtigt, daß genau in diesem Raum während des Aschewolkenchaos 900 Menschen problemlos auf Feldbetten untergebracht werden konnten – dann fragt man sich, warum 200 Demonstranten angeblich so viel Platz brauchen, daß ein Sicherheitsrisiko entsteht. So hatte das Landratsamt argumentiert. Aus einem Flugzeug steigen häufig auch rund 200 Leute aus, die als Gruppe geschlossen die Abflughalle zum Umsteigen durchschreiten. Das dürfte also kein Problem sein. Auch der Verwaltungsgerichtshof sah uns nicht als Gefährdung der Sicherheit an. Dann gab es aber doch kurzfristig die Auflage, daß nur 30 Personen dorthin durften – was durch das Gericht gedeckt war. Die Eilentscheidung lautete, ein Verbot dürfe nicht »grundsätzlich« ausgesprochen werden. Dagegen werden wir weiter klagen, bis hoch zum Bundesverfassungsgericht, wenn es sein muß.

Wie war die Stimmung, als es hieß, daß nur 30 Leute die Abflughalle betreten dürfen?
Unser Ziel war, daß alle 200 Aktivisten dort ihren Protest zeigen können. Das hat nicht geklappt – aber einzelne haben es geschafft, als Touristen getarnt die Gruppe zu vergrößern.

Welche Wirkung erhoffen Sie sich von Protestaktionen im Flughafen?
Wir wollen die Airlines dazu bewegen, aus dem Abschiebegeschäft auszusteigen. Die Passagiere wollen wir sensibilisieren und auf ihre Möglichkeiten hinweisen, selbst aktiv zu werden, um eine Abschiebung zu verhindern. Wir machten die Erfahrung, daß der Pilot sich häufig weigert, einen Flüchtling gegen seinen Willen zu befördern, wenn auch nur ein Passagier versucht, das zu verhindern. Das konnten wir vergangenen Dienstag bei der Abschiebung von Mohamed Abdilahi beobachten, die deshalb abgebrochen werden mußte. Man kann sich auch beschweren, vorher nicht informiert worden zu sein, daß im selben Flugzeug Leute gegen ihren Willen transportiert werden – und sich weigern, sich hinzusetzen, solange der Flüchtling an Bord ist. Den Airlines liegt viel an ihrem guten Image, daß sie Leute sicher an ihr Ferienziel transportieren. Diese Art von Aufregung schätzen sie nicht. Auch der betroffene Flüchtling selber kann sich weigern, sich zu setzen.

Haben Sie mit Mitarbeitern der Airlines gesprochen?
Ja. Sie haben keine besondere Reaktion gezeigt – das hatten wir auch nicht erwartet. Erfahrungsgemäß können solche Proteste auch langfristig sehr hilfreich sein. Ich bin überzeugt, daß unsere Schilderung der Abschiebung des sudanesischen Flüchtlings Aamir Ageeb, der 1999 beim Start eines Lufthansa-Flugs mit einem Motorradhelm auf dem Kopf von drei Bundesgrenzschutzbeamten zu Tode gepreßt wurde, ein mulmiges Gefühl bei den Mitarbeitern bewirkt hat. Demos gegen die Iraqi-Airlines haben dazu geführt, daß monatelang keine Abschiebungen in den Irak möglich waren. Die rumänische Tarom-Airlines hat bereits 2001 aufgrund des Widerstands keine Zwangspassagiere mehr befördert.

Interview: Gitta Düperthal

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http://www.jungewelt.de/2011/08-08/021.php

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