Augsburger Allgemeine Zeitung, 22.04.2009

Das beengte Leben der Flüchtlinge in Bayern

Diskussion um Gesetzesänderung

Shukur Ghafur lebt mit einem weiteren Flüchtling auf 20 Quadratmetern. Bild: Feneberg

Neuburg. Dienstags gibt es Rührei zum Frühstück, denn dienstags bekommt Shukur Ghafur sein Essenspaket. Eine kleine Herdplatte dient als Kochstelle. Ein Kühlschrank, zwei Betten, ein Fernseher, ein Regal - mehr steht nicht in dem gut 20 Quadratmeter großen Zimmer, das Shukur Ghafur mit einem anderen Iraker in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in Neuburg an der Donau bewohnt.

Seit sieben Jahren lebt er hier, teilt das Badezimmer mit 40 weiteren Flüchtlingen und wäscht immer mittwochs seine Wäsche. Und wie die anderen 297 Flüchtlinge in Neuburg hofft Shukur Ghafur auf eine Aufenthaltsgenehmigung.

Eigentlich könnte der 37-Jährige sein Leben außerhalb des Flüchtlingslagers alleine bestreiten. Er hat eine Arbeitserlaubnis und spricht gut deutsch. Doch als „geduldeter Flüchtling“ darf sich Shukur Ghafur keine eigene Wohnung suchen, das erlaubt das bayerische Aufnahmegesetz nicht.

Die Chancen auf eine Änderung des Gesetzes stehen aber nicht schlecht - so sieht es zumindest Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat. Heute übergibt er zusammen mit Vertretern des Netzwerkes „Deutschland Lagerland“ in München eine Sammelpetition an Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) und die Landtagsfraktionen. Ihre Forderung: Wie in anderen Bundesländern auch, sollen Asylbewerber in Bayern das Recht haben, sich eigene Wohnungen zu suchen. Über 3000 Einzelpersonen und über 100 Organisationen haben die Petition unterschrieben.

Die Zeit für die Initiative ist gut gewählt. Im Dezember vergangenen Jahres wurden in München zwei Gemeinschaftsunterkünfte geschlossen. Die Asylbewerber lebten dort in Metallcontainern und Baracken. „Es waren unhaltbare Zustände“, so Thal. Doch die Konsequenz dürfe nicht sein, dass die Flüchtlinge nur in andere Heime umverteilt werden.

„Die Menschen leben in den Lagern unter Harz-IV-Niveau“, beschreibt Thal die Situation. Dabei käme eine Unterbringung in Wohnungen sogar günstiger, hat der Flüchtlingsrat ausgerechnet. Doch bisher habe vor allem der politische Wille gefehlt, den Flüchtlingen angemessenen Wohnraum zu geben. „Flüchtlinge sollen nicht ermutigt werden, bleiben zu wollen“, sagt Alexander Thal und verweist auf die bayerische Asyl-Durchführungsverordnung. Darin heißt es: „Die Unterbringung soll die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern.“

Jetzt hofft man auf ein Umdenken. Vor allem vonseiten der FDP gibt es Unterstützung. Aber auch Sozialministerin Haderthauer habe für die Vorschläge „ein offenes Ohr“, so Thal. Zudem steige der öffentliche Druck.

Am Donnerstag beraten vier Landtagsausschüsse mit 25 Sachverständigen über eine mögliche Schließung der Lager. Die Grünen hatten die Expertenanhörung beantragt, das Landtagsplenum und die Ausschüsse (Sozial-, Gesundheits-, Petitions- und Rechtsausschuss) hatten sie einstimmig beschlossen.

Für Shukur Ghafur kommt eine Rückkehr nach Bagdad nicht infrage. Als Sunnit sieht er dort keine Chance auf ein freies Leben. „Hier in Deutschland habe ich das erste Mal das Gefühl wirklich sicher zu sein“, sagt er. Doch die Perspektive, sein Leben weiterhin in dem kleinen Zweibettzimmer zu fristen, ist für ihn ernüchternd. Auf dem engen Raum seien Probleme unter den Flüchtlingen an der Tagesordnung.

Barbara Feneberg

Quelle: Augsburger Allgemeine Zeitung

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