Süddeutsche Zeitung, 23.11.2009

"Da steht Aussage gegen Aussage"

Laut Gutachten könnte Bayern durch die Unterbringung von Flüchtlingen in Privatwohnungen Millionenbeträge einsparen. Doch die CSU sträubt sich.

SZ-Graphik; Quelle: Bayerischer Flüchtlingsrat

Bayern könnte durch die Unterbringung von Flüchtlingen in Privatwohnungen jährlich zweistellige Millionenbeträge einsparen. Dies geht aus einem neuen Gutachten des Bayerischen Flüchtlingsrats hervor, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Ein Verzicht auf Sammelunterkünfte erbringt demnach ein Einsparvolumen von 13,6 Millionen Euro im Jahr - hochgerechnet auf die derzeit mehr als 7000 Flüchtlinge, "die in Bayern in Flüchtlingslagern untergebracht sind", heißt es in dieser Studie.

"Um glaubhafte Zahlen zu bekommen, haben wir aus den 118 Lagerstandorten in Bayern bewusst solche herausgesucht, in denen viele Einzelpersonen leben", sagt Alexander Thal, der Verfasser des Gutachtens. Familien kommen nach seinen Angaben nämlich auf dem lokalen Wohnungsmarkt im Vergleich zur Gemeinschaftsunterkunft viel günstiger unter als Einzelpersonen.

Gestützt auf Aussagen des früheren Innenministers Günther Beckstein hat Thal den durchschnittlichen Pro-Kopf-Preis für den Aufenthalt im Flüchtlingslager auf 450 Euro im Monat angesetzt. In Dachau zum Beispiel koste die Unterbringung einer vierköpfigen Familie in der Sammelunterkunft im Monat 1800 Euro. Auf dem lokalen Wohnungsmarkt käme diese Familie für 989 Euro unter, hat Thal ermittelt.

Und obwohl in Dachau die Unterbringung der 84 Einzelpersonen in Wohnungen mehr Geld kosten würde als ihr Bleiben in der Gemeinschaftsunterkunft (fast 45,000 Euro mehr im Jahr), ließen sich 126.300 Euro einsparen, wenn dort alle Flüchtlinge in Wohnungen umziehen dürften.

Noch eindeutiger sind die Sparergebnisse in den anderen acht von Thal ausgewählten Unterkünften in Augsburg, München, Landshut, Pfarrkirchen, Neuburg an der Donau, Bayreuth, Nördlingen und in Aholfing-Obermotzing im Kreis Straubing-Bogen (siehe Graphik). "Das Festhalten an Flüchtlingslagern ist deshalb nichts anderes als Steuerverschwendung in Millionenhöhe", sagt Thal.

Innerhalb der CSU, die nach wie vor eine Auflösung der Sammelunterkünfte ablehnt, stößt die Studie bereits im Vorfeld auf Skepsis, denn auch das Sozialministerium hat zur Zukunft der Flüchtlingslager Zahlen herausgegeben.

Denen zufolge ist die Unterbringung in diesen Gemeinschaftsunterkünften kostengünstiger. "Da steht Aussage gegen Aussage", sagt der CSU-Sozialpolitiker Bernhard Seidenath. "Wenn aber das Gutachten des Flüchtlingsrates tatsächlich die Realität wiedergibt, dann gäbe es auch für uns keinen Grund mehr, gegen eine Unterbringung der Flüchtlinge in Privatwohnungen zu sein."

Seidenaths Landtagskollege Joachim Unterländer (CSU) sieht sich indes auch vom Sozialministerium nicht gut informiert: "Von keiner Seite liegen objektivierbare Zahlen für einen Kostenvergleich zwischen einer Wohnungsunterbringung und der Unterbringung in Sammelunterkünften vor."

Das Ministerium solle gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Wohlfahrtsverbänden "abschließend geprüfte Daten vorlegen", sagte er.

D. Mittler

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