Süddeutsche Zeitung, 30.05.2012

Blackout des Landrats


Vergangene Woche hat das Landratsamt Landshut eine Pressemitteilung verschickt, in der Landrat Josef Eppeneder (CSU) betont, wie prima doch die dezentrale Unterbringung von Asylbewerbern geklappt habe. Auf drei Seiten wird Eppeneder immerhin zwölfmal wortwörtlich zitiert: wie er die Fraktionschefs im Kreistag kritisiert; auch einen Seitenhieb auf die Regierung von Niederbayern kann er sich nicht verkneifen. Als er tags darauf mit seinem Schreiben konfrontiert wurde, soll er sich an dessen Existenz jedoch nicht mehr erinnert haben, erzählt man sich. Pressemitteilung zum Thema Asylunterkünfte? Kenne er nicht, soll Eppeneder gesagt haben. Seitdem kursiert in Landshut die Anekdote von der Schreibmaschine, die selbständig Auskünfte verfasst und auch verschickt. Was natürlich kompletter Unfug ist: In welchem Amt gibt es heute noch Schreibmaschinen?

Ob der Landrat tatsächlich eine Erinnerungslücke hatte oder ob ihm nur eine besonders emanzipierte Presseabteilung untersteht, zählt derzeit wohl zu seinen geringsten Sorgen. Seit bekannt geworden ist, dass zwei seiner Kinder Immobilien gekauft und wenig später als Asylbewerberunterkünfte an den Landkreis vermietet haben, wird jeder seiner Schritte beäugt - auch weil der Landrat stets nur preisgab, was Medien längst berichtet hatten. Die Sache mit der Pressemitteilung ist nun ein weiteres Beispiel, wie aufmerksam Eppeneders Auftreten inzwischen registriert und interpretiert wird - und auch, wie darüber spekuliert wird. Fehlt er bei einem Repräsentationstermin wie unlängst beim Empfang des bayerischen Finanzministers, heißt es gleich, er meide die Öffentlichkeit. Lässt er das Treffen mit Bürgermeistern sausen, wird ihm unterstellt, er wolle nur Kritikern aus dem Weg gehen. Dass er zur gleichen Zeit andere, aus seiner Sicht wichtigere Termine wahrgenommen hat, interessiert kaum einen seiner Gegner.

Weil Eppeneder auf wichtige Fragen zu den Immobiliengeschäften seiner Kinder bis heute keine Antworten gibt, dürfte so schnell keine Ruhe einkehren. Freie Wähler und Grüne ziehen alle Register, den Landrat zur Aufklärung zu zwingen, doch der zeigt sich unbeeindruckt: Ob Aufforderung zur Selbstanzeige, Dienstaufsichtsbeschwerde, Petition im Landtag - alles prallt ab. Selbst Landshuter CSU-Größen bescheinigen Eppeneder ein seltenes Talent, Leute gegen sich aufzubringen. Die Regierung von Niederbayern habe sich als Aufsichtsbehörde bisher arg zurückgehalten, schimpfte die Kreistagsopposition. Gut möglich, dass sich dies nach der jüngsten Pressemitteilung aus dem Landratsamt ändert. Die Bevölkerung fühlt sich durch Eppeneders Schweigen angestachelt. Nach wie vor tauchen anonyme Hinweise auf, die ihm eine seit Jahren ausgeprägte Geschäftstüchtigkeit unterstellen.

Der Landrat habe ein seltenes Talent, Leute gegen sich aufzubringen

In der Landshuter CSU ist man längst der Meinung, dass Eppeneder, 64, nicht nur dem Amt, sondern mehr noch der Partei schade. Am Schlimmsten sei, sagen hochrangige Parteifreunde, dass ihm viele der genannten Vorwürfe zugetraut würden. Zwar macht das Gerücht die Runde, der Landrat werde nur noch eines seiner beiden Dienstjahre ausfüllen und dann zurücktreten. Ob das Gentlemen’s Agreement tatsächlich zustande kommt, darf indes bezweifelt werden. Gewiss, man habe Angst, dass sich die Wähler durch Eppeneders Verhalten abwenden, heißt es in der Landshuter CSU einerseits. Andererseits hat die Partei auch so schon eine Fülle von Personalfragen zu klären. Eine vorzeitige Landratswahl käme im großflächig angelegten Generationswechsel eher ungelegen. Abgesehen davon soll Eppeneder wenig Neigung zeigen vorzeitig aufzuhören.

Am 5. Juni werden die Spitzen der CSU-Kreisverbände beratschlagen, wer für die kommenden Wahlen in Frage kommt. Drei von fünf Mandatsträgern (Bundestag, Landrat, Oberbürgermeister) werden nicht mehr antreten; auch bei Manfred Hölzlein, 70, dem Sprecher aller bayerischen Bezirke, zeichnet sich ein Rückzug ab. Nur die Landtagsabgeordnete Gertraud Goderbauer steht weiter zur Verfügung, manche sähen sie offenbar gerne als Eppeneders Nachfolgerin. Um eine unkontrollierbare Eigenständigkeit der amtlichen Pressestelle brauchte sich Goderbauer zumindest nicht zu sorgen. Pressemitteilungen mit Zitaten des Chefs würden grundsätzlich nur nach vorheriger Rücksprache herausgegeben, heißt es im Landratsamt.

Wolfgang Wittl

Quelle: Süddeutsche Zeitung

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