Junge Welt, 22.02.2010

Bayern bleibt stur

Landesinnenminister hält für Migranten an Lagerleben, Residenzpflicht und Essenspaketen fest. Protest von Flüchtlingen in Hauzenberg und Breitenberg geht weiter

Abschaffung kriminalisierender Sondergesetze: Für den Münchner Innenminister eine »völlig überzogene« Forderung, Foto: Christian Ditsch/Version

Es gibt Dinge, die klingen einfach zu schön, um wahr zu sein. Da gab es eine Pressemeldung, deklariert als vom bayrischen Innenministerium veröffentlicht. Nur wenige Tage, nachdem die Flüchtlinge in zwei niederbayerischen Lagern ihren Hungerstreik eingestellt haben. Von christlicher Nächstenliebe war da die Rede, von Positionen, die neu überdacht werden müßten und von nachvollziehbaren Forderungen. Doch der schöne Schein währte nur kurz. Wahr ist: Die Meldung war gefälscht, Innenminister Joachim Herrmann gibt sich unnachgiebig wie eh und je.

Dabei wäre es tatsächlich ein Gebot der – auch christlichen – Nächstenliebe gewesen, den Forderungen der protestierenden Flüchtlinge in den Lagern Hauzenberg und Breitenberg nachzukommen. Diese haben ihren Hungerstreik nach fast drei Wochen vorerst eingestellt. Die Essenspakete werden jedoch weiter boykottiert. Ihr Protest sei nach wie vor nötig, erklärte einer der Hungerstreikenden aus dem Lager Breitenberg: »Wir können nicht unter den Bedingungen weiterleben, die man uns hier im Lager an diesem Ort zumutet.« Doch geändert hat sich, trotz manch höflicher Bekundung von Regionalpolitikern, an der Situation der Flüchtlinge nichts. Residenzpflicht, Arbeitsverbot und eben die verhaßten Essenspakete prägen den Alltag in den abgelegenen Unterkünften.

Dabei folgen der Argumentation der Asylbewerber viele Menschen – nur eben nicht die herrschenden. So unterstützten über 120 Personen mit einer Demonstration in Passau den Protest der Flüchtlinge. Ein breites Bündnis verschiedener Gruppen aus Passau und München will jetzt für die Zeit des Essenspaketeboykotts eine Notversorgung organisieren. Auch Parteien und andere Gruppierungen aus Bayern und der ganzen Bundesrepublik sowie viele Einzelpersonen fordern von der Landesregierung, die Forderungen zu erfüllen und ihre rigide Asylpolitik endlich zu ändern.

Mitte vergangener Woche dann kursierte die täuschend echte, aber eben nur vermeintlich vom bayerischen Innenministerium herausgegebene Pressemitteilung, in der es unter anderem hieß: »Der Hungerstreik der Asylbewerber in den beiden niederbayerischen Gemeinschaftsunterkünften Hauzenberg und Breitenberg hat gezeigt, daß wir unsere grundsätzliche Position nochmals überdenken müssen. Es ist ein Gebot christlicher Nächstenliebe, auf die Forderungen der Streikenden einzugehen.« Und weiter versprach Innenminister Herrmann – der Meldung zufolge – ein neues Positionspapier der CSU: »Neben der Verkürzung der Aufenthaltsdauer von Asylbewerbern in Gemeinschaftsunterkünften beinhaltet das Positionspapier die Einführung von Wertgutscheinen statt Essenspaketen und die generelle Ausweitung der Residenzpflicht auf den Freistaat Bayern.«

Nach knapp eineinhalb Stunden verkündete dann das Ministerium, die Meldung sei eine Fälschung. Herrmann legte nach: »Ich sage noch einmal ganz klar: Mit mir wird es keine Aufweichung in der Asylpolitik geben. Der mittlerweile beendete Hungerstreik in Hauzenberg und Breitenberg war eine Farce. Die dabei erhobenen Forderungen waren völlig überzogen.« Die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften müsse aufrechterhalten werden. »Auch sehe ich nicht, weshalb hier eine Versorgung mit Sachleistungen wie etwa Essenspaketen nicht zumutbar sein soll.« Der nun eingestellte Hungerstreik konnte das Herz des christlichen Hardliners also doch nicht erweichen. Das wiederum ist zu wahr, um schön zu sein.

Von Johann Heckel

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http://www.jungewelt.de/2010/02-22/017.php

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