Mainpost, 31.01.2012

»Asylunterkünfte machen krank«

Flüchtlinge: Nach dem Tod eines Iraners kritisiert ein Chefarzt die Situation in Bayern - Proteste vor Würzburger Rathaus

 

Kritik nach Suizid eines Iraners in Würzburg Nach dem Tod eines iranischen Asylbewerbers in der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft ist es am Montag in der Innenstadt zu einer Demonstration gekommen. Der 29-Jährige hatte sich in der Nacht zum Sonntag umgebracht, wie die Polizei bestätigte. Die »Internationale Föderation Iranischer Flüchtlinge« machte die »menschenunwürdige Situation in der Gemeinschaftsunter­unft« für den Suizid verantwortlich.


Ein Sprecher sagte, in Bayern würden die Menschenrechte von Flüchtlingen mit Füßen getreten. Ähnlich äußerte sich der Würzburger Medizinprofessor August Stich. Kein Bundesland gehe so schlecht mit Flüchtlingen um wie Bayern. Der Chefarzt der Missionsärztlichen Klinik ist mit seinem Team für die medizinische Versorgung in der Gemeinschaftsunterkunft zuständig. Nach seinen Angaben war die psychisch labile Konstitution des Mannes seit Wochen bekannt.


Nichts von Empfehlung gewusst?


Bereits im Dezember habe er Selbstmordabsichten geäußert und sei deshalb in der Unipsychiatrie begutachtet worden. Man habe empfohlen, »an der Art der Unterbringung etwas zu verändern«.
Damit sei aber niemand an die Regierung oder die Verwaltung der Gemeinschaftsunterkunft herangetreten, sagte Regierungssprecher Johannes Hardenacke. Nach bisherigem Kenntnisstand bestehe keinerlei Zusammenhang zwischen dem Suizid und der Art der Unterbringung. Dagegen warnte Professor Stich davor, den Tod des Iraners als Einzelfall abzutun. Etliche Bewohner seien von Folter traumatisiert und müssten trotzdem in ehemaligen Kasernen leben: »Die Asylunterkünfte machen krank.«

Nach Angaben der Flüchtlingsorganisation hatte ein Mitbewohner entdeckt, dass sich der Mann in seinem Zimmer eingeschlossen hatte. Sicherheitskräfte hätten vergeblich versucht, in den Raum zu gelangen. Auch die Polizei konnte die schwere Eisentür nicht öffnen. Dies gelang erst der Feuerwehr. Doch zu diesem Zeitpunkt war der Mann bereits tot.
Hardenacke bestätigte den Ablauf der Rettungsversuche. Der 29-Jährige habe sich einen Monat lang im Auffanglager Zirndorf aufgehalten und sei dann nach Würzburg gekommen. Dort habe er seit sieben Monaten gewohnt.
Seit Jahresbeginn war er mit Besuchserlaubnis bei seiner Schwester in Köln und kehrte erst einen Tag vor seinem Tod nach Würzburg zurück. Hardenacke bestätigte Meldungen, wonach der Iraner am Samstag wegen Kre islaufbeschwerden mit dem Rettungswagen in eine Klinik gebracht wurde, am Abend aber wieder in die Unterkunft zurückkehrte.


»Für die Freiheit gestorben«


Die Flüchtlingsorganisation teilte mit, der Mann hinterlasse eine Frau und ein Kind, die im Iran lebten. Bei der Regierung verlautete dagegen, er habe sich gegenüber den Behörden als ledig bezeichnet. Auf Transparenten bei der gestrigen Demonstration hieß es, der 29-Jährige sei »für die Freiheit« gestorben. Nach Polizeiangaben beteiligten sich zeitweise bis zu 80 Personen an dem spontanen Protestmarsch vom Hauptbahnhof zum Rathaus.
Als Reaktion auf den Todesfall plant die Flüchtlingsorganisation außerdem am 13. Februar ab 12 Uhr in Würzburg eine weitere Demonstration, zu der 400 Teilnehmer erwartet werden.
In der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft gab es gestern Abend eine Gedenkfeier für den verstorbenen Iraner, 70 muslimische Bewohner legten aus Trauer einen Fastentag ein.

 

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http://www.main-netz.de/nachrichten/region/frankenrhein-main/franken/art4005,1974012

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