Neues Deutschland, 20.07.2012

Asylbewerberleistungen bleiben Streitthema

Das Asylbewerberleistungsgesetz wurde in Karlsruhe abgestraft. Über die Neuregelungen herrscht Dissens


Das umstrittene Asylbewerberleistungsgesetz ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgericht in weiten Teilen menschunwürdig. Die Karlsruher Richter straften damit die bundesdeutsche Asylpolitik der letzten 19 Jahre ab. Sie entschieden, dass die Leistungen für Asylbewerber nun deutlich angehoben werden müssen. Statt 224 Euro sollen Asylbewerber ab sofort 336 Euro bekommen.

Als Reaktion auf das Urteil kündigte die Bundesregierung an, eine »realitätsgerechte Neuregelung« zu erarbeiten. Allerdings herrscht noch Dissens in der Politik, wie diese Mehrkosten finanziert werden sollen, die der deutsche Landkreistag auf bis zu 130 Millionen Euro im Jahr beziffert.

Die rheinland-pfälzische Integrationsministerin Irene Alt (Grüne) verwies darauf, dass nun der Bund gefragt sei, die Mehrkosten zu übernehmen. Auch der brandenburgische Sozialminister Günter Baaske (SPD) verlangte, dass sich der Bund an den Kosten des Asylbewerberleistungsgesetztes beteiligen müsse.

Die Kommunen - bei denen die Aufgabe der Ausschüttung der Leistungen für Asylbewerber liegt -, wollen dafür auch nicht aufkommen. Sie möchten die einzelnen Bundesländer in die Pflicht nehmen: »Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie den Kommunen die eventuellen Mehrausgaben erstattet«, sagte Monika Gordes, stellvertretende Geschäftsführerin des Städte- und Gemeindebundes.

Im rassistischen Jargon äußerte sich der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl zur Finanzierungsfrage. Um Kosten zu sparen, plädierte der Bundestagsabgeordnete dafür, dass Asylbewerber »vorzeitiger oder frühzeitiger wieder ausgewiesen oder zur Not auch abgeschoben« werden müssten.

Nach dem Urteil aus Karlsruhe liegt ein weiterer Streitpunkt in der Frage, welche Form die künftigen Leistungen für Asylbewerber haben sollten. Das Verfassungsgericht billigte, dass auch weiterhin Sachleistungen wie Lebensmittelkarten oder Essenspaketen gewährt werden können.

Die schwarz-gelbe Regierungskoalition ist sich bislang uneins über das Thema: Während der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Günter Krings, dazu riet, Sachleistungen beizubehalten, plädierte der Innenexperte Hartfried Wolff (FDP) dafür, mit den anstehenden Neuregelungen auch Sachleistungen auf den Prüfstand zu stellen.

Die LINKE in Baden-Württemberg hob in einer Pressemitteilung hervor, dass es Sachleistungen nur geben würde, »um Menschen davon abzuschrecken, ihr verfassungsmäßiges Grundrecht auf Asyl wahrzunehmen«. Und die Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe (SPD) betonte: »Es widerspricht meinem Verständnis von einem selbstbestimmten und menschenwürdigen Leben, staatlich verordnete Essenspakete oder Versorgungsgutscheine austeilen zu lassen.«

Quelle: Neues Deutschland

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