Süddeutsche Zeitung, 19.10.2012
Asylbewerber: Herrmanns Halbwahrheiten
Bayerns Asylpolitik zeigt - wieder einmal - ihr hässliches Gesicht. Innenminister Joachim Herrmann sagt: Die vielen Asylbewerber aus Serbien und Mazedonien sind keine politisch Verfolgten, sondern Wirtschaftsflüchtlinge, die der Not zumindest in der kalten Jahreszeit entkommen wollen. Das ist die Wahrheit, aber eben nur die halbe. Halbe Wahrheiten sind keine Lüge, doch sie sind mit ihr verwandt - mal näher, mal ferner.
Bei den Flüchtlingen aus Serbien und Mazedonien handelt es sich, was der Minister gern unter den Tisch fallen lässt, zu fast hundert Prozent um Roma, die in ihrer Heimat zwar nicht politisch verfolgt werden, wohl aber zu einer massiv benachteiligten Minderheit gehören. Immer wieder kommt es - wie erst in diesem Jahr in Belgrad - zu brutalen Übergriffen. Und die wirtschaftliche Not der Roma, sie erklärt sich daraus, dass man ihnen keine Arbeit gibt. Insoweit läuft die Anspielung darauf, dass hier Schmarotzer eben mal schnell deutsche Sozialleistungen abgreifen wollen, ins Leere. Es geht vielmehr um Menschen, die aufgrund ihrer sozialen Zugehörigkeit angefeindet und diskriminiert werden.
Bayerns Antwort darauf ist, nun vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge möglichst viele sogenannte Entscheider anzufordern, um die unerwünschten Asylbewerber rasch abwickeln zu können, sprich: ihnen berechtigte Asylgründe abzusprechen. Dann müssen sie das Land verlassen. Das klingt entschlossen und macht sich gut, um Wähler am rechten Rand abzufischen. Aber es ist im Grunde eine Mogelpackung. Selbst Asylbewerber, deren Antrag als 'offensichtlich unbegründet' abgelehnt wurde, haben noch das Recht, diese Entscheidung durch Gerichte überprüfen zu lassen.
Die Bundesrepublik, so stellt sich das die Staatsregierung vor, soll Druck auf Serbien und Mazedonien machen, die Ausreise der Roma zu unterbinden. Das ist schlicht die Aufforderung zu noch mehr Unterdrückung. Und was nicht minder gefährlich ist - auch in Bayern werden alte Ressentiments wiederbelebt.
Katja Auer
Quelle: Süddeutsche Zeitung