Sueddeutsche Zeitung, 16.07.2011

Asylbewerber fordern mehr Freiheit

Berlin - Beschweren wollten sie sich. Eine Konfrontation mit Abgeordneten der Union und der FDP hatten sie sich erhofft, die knapp 50 Asylbewerber, die extra mit Bus und Bahn von Bayern nach Berlin gekommen waren. Doch daraus wurde nichts bis zur Abreise am Freitag. Die Klagen über die ihrer Ansicht nach 'menschenunwürdigen Zustände' für Flüchtlinge in Bayern hörten sich bei einem Treffen im Bundestag wieder nur die an, die ohnehin auf ihrer Seite stehen: Die Linken um die Abgeordnete Kornelia Möller, die eingeladen hatte, und der Sprecher für Flüchtlingspolitik der Grünen, Josef Winkler. Die aber sitzen nicht in der Regierung, die können das Asylbewerberleistungsgesetz nicht kippen. Und genau darum geht es den Flüchtlingen.

'Das Gesetz muss weg', erklärte Marc Speer vom Bayerischen Flüchtlingsrat, der die Reise mitorganisiert hatte. Lange schon versuchen Asylbewerber und Flüchtlingsrat, die Bayerische Staatsregierung zu Lockerungen in der Asylpolitik zu bewegen; Ende 2010 sogar mit Hungerstreiks. Sie protestieren gegen die Versorgung mit Essenspaketen, gegen die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften und gegen die Residenzpflicht, die es Flüchtlingen nur mit Genehmigung erlaubt, sich über die Grenzen ihres Wohnorts hinauszubewegen.

Bei dem Treffen in Berlin protestierten sie, indem sie einfach ihre Lebensumstände beschrieben. 'Wir wohnen in der Nähe von Nürnberg mitten in einem Wald, 85 Menschen in einem Heim', erzählt zum Beispiel Bushra aus Äthiopien. Die Kinder könnten nicht zur Schule, die Erwachsenen erhielten keine Arbeitserlaubnis. Von 40 Euro Taschengeld monatlich könne sie es sich kaum erlauben, mal in die Stadt zu fahren. 'Wie sollen wir uns da integrieren?', fragt Bushra.

In anderen Bundesländern bekommen Asylbewerber nicht Essenspakete, sie erhalten Geld, um sich selbst zu versorgen. Auch leben die meisten Flüchtlinge in eigenen Wohnungen und haben größere Bewegungsfreiheit, ohne sich dafür um Genehmigungen bemühen zu müssen. Die Regelungen sind so unterschiedlich, weil das Asylbewerberleistungsgesetz den Bundesländern Freiheiten im Umgang mit den Flüchtlingen erlaubt. Bayern legt es mit Abstand am restriktivsten aus, auch wenn der Freistaat inzwischen die Reisefreiheit der Flüchtlinge etwas gelockert hat und sich am Donnerstag CSU und FDP einigten, Asylbewerbern künftig früher den Auszug aus den Sammelunterkünften zu erlauben.

Dem Flüchtlingsrat allerdings würde es auch nicht reichen, wenn sich Bayern dem Standard anderer Länder annäherte. Die Flüchtlinge fordern vielmehr vom Bundestag, das Bundesgesetz ganz zu kippen und wieder die Regelung einzuführen, die zuletzt 1993 galt: Damals erhielten Asylbewerber die gleichen Leistungen wie deutsche Sozialhilfeempfänger. Die Chancen jedoch stehen schlecht. Von der Bundesregierung kommt momentan kein Signal, etwas ändern zu wollen.

16.07.2011 06:30

Bayern will Heimunterbringung verkürzen, doch die Flüchtlinge wollen weitere Verbesserungen - und werben in Berlin dafür

Berlin - Beschweren wollten sie sich. Eine Konfrontation mit Abgeordneten der Union und der FDP hatten sie sich erhofft, die knapp 50 Asylbewerber, die extra mit Bus und Bahn von Bayern nach Berlin gekommen waren. Doch daraus wurde nichts bis zur Abreise am Freitag. Die Klagen über die ihrer Ansicht nach 'menschenunwürdigen Zustände' für Flüchtlinge in Bayern hörten sich bei einem Treffen im Bundestag wieder nur die an, die ohnehin auf ihrer Seite stehen: Die Linken um die Abgeordnete Kornelia Möller, die eingeladen hatte, und der Sprecher für Flüchtlingspolitik der Grünen, Josef Winkler. Die aber sitzen nicht in der Regierung, die können das Asylbewerberleistungsgesetz nicht kippen. Und genau darum geht es den Flüchtlingen.

'Das Gesetz muss weg', erklärte Marc Speer vom Bayerischen Flüchtlingsrat, der die Reise mitorganisiert hatte. Lange schon versuchen Asylbewerber und Flüchtlingsrat, die Bayerische Staatsregierung zu Lockerungen in der Asylpolitik zu bewegen; Ende 2010 sogar mit Hungerstreiks. Sie protestieren gegen die Versorgung mit Essenspaketen, gegen die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften und gegen die Residenzpflicht, die es Flüchtlingen nur mit Genehmigung erlaubt, sich über die Grenzen ihres Wohnorts hinauszubewegen.

Bei dem Treffen in Berlin protestierten sie, indem sie einfach ihre Lebensumstände beschrieben. 'Wir wohnen in der Nähe von Nürnberg mitten in einem Wald, 85 Menschen in einem Heim', erzählt zum Beispiel Bushra aus Äthiopien. Die Kinder könnten nicht zur Schule, die Erwachsenen erhielten keine Arbeitserlaubnis. Von 40 Euro Taschengeld monatlich könne sie es sich kaum erlauben, mal in die Stadt zu fahren. 'Wie sollen wir uns da integrieren?', fragt Bushra.

In anderen Bundesländern bekommen Asylbewerber nicht Essenspakete, sie erhalten Geld, um sich selbst zu versorgen. Auch leben die meisten Flüchtlinge in eigenen Wohnungen und haben größere Bewegungsfreiheit, ohne sich dafür um Genehmigungen bemühen zu müssen. Die Regelungen sind so unterschiedlich, weil das Asylbewerberleistungsgesetz den Bundesländern Freiheiten im Umgang mit den Flüchtlingen erlaubt. Bayern legt es mit Abstand am restriktivsten aus, auch wenn der Freistaat inzwischen die Reisefreiheit der Flüchtlinge etwas gelockert hat und sich am Donnerstag CSU und FDP einigten, Asylbewerbern künftig früher den Auszug aus den Sammelunterkünften zu erlauben.

Dem Flüchtlingsrat allerdings würde es auch nicht reichen, wenn sich Bayern dem Standard anderer Länder annäherte. Die Flüchtlinge fordern vielmehr vom Bundestag, das Bundesgesetz ganz zu kippen und wieder die Regelung einzuführen, die zuletzt 1993 galt: Damals erhielten Asylbewerber die gleichen Leistungen wie deutsche Sozialhilfeempfänger. Die Chancen jedoch stehen schlecht. Von der Bundesregierung kommt momentan kein Signal, etwas ändern zu wollen.

 

Quelle: Sueddeutsche Zeitung

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