Nürnberger Zeitung, 08.10.2010

Anspruch und Wirklichkeit in der Diskussion

Flüchtlingslager in Bayern

„Bleib in Nürnberg" war der Titel einer Podiumsdiskussion des Projekt-Netzwerks und des Integrationsrats der Stadt Nürnberg. Sie thematisierte die Lebensbedingungen von Flüchtlingen in Bayern nach dem Landtagsbeschluss vom 10. Juni. Viele Betroffene im Publikum können nicht Deutsch, weil es für sie keine Sprachkurse gibt. Ihre Kinder dürfen zwar in die Schule gehen, finden aber in der Enge der Lager weder Platz noch Ruhe für die Hausaufgaben. Das oft jahrelange Leben in Gemeinschaftsunterkünften wirkt wie ein geradezu klassischer Gegenentwurf zur Integration: „Es ist politischer Wille, die Menschen draußen zu lassen", so die Grüne Landtagsabgeordnete Renate Ackermann. Das sei absolut inhuman und auch eine verpasste Chance für das Land, denn viele der Flüchtlinge seien hochqualifiziert.

Angesichts des Fachkräftemangels hält es Claudia Geßl von „Bleib" für absurd, dass es „Geduldeten" verboten ist, zu arbeiten. Auch das hat nach Ackermanns Ansicht Methode. Es solle der Eindruck verfestigt werden, dass alle Flüchtlinge dem Steuerzahler nur auf der Tasche lägen. Die politisch verantwortlichen Parteien in Bayern entzögen sich dieser Diskussion und sie waren auch nicht präsent, kritisierte die SPD-Landtagsabgeordnete Angelika Weikert.

In der von den Grünen angestoßenen Anhörung im Landtag waren sich Experten, wie Ärzte, Pfarrer und Juristen, völlig einig darüber, dass das Leben im Lager krank macht. Doch ändern wird sich nach dem Landtagsbeschluss so gut wie nichts, ist Alexander Thal vom Flüchtlingsrat überzeugt. Das meiste seien Absichtserklärungen mit jeder Menge Hintertürchen. Beispielsweise würden nunmehr jedem Flüchtling in den Unterkünften sieben Quadratmeter Wohnfläche zugebilligt. Diese Regelung sei aber nur für neue Einrichtungen zwingend, in den bestehenden Unterkünften solle sie nur dann greifen, wenn es baulich durchführbar und finanzierbar ist.

Gelockert wurde die Residenzpflicht. Flüchtlinge im Asylverfahren, dürfen sich jetzt nicht mehr nur im Landkreis aufhalten, sondern im gesamten Regierungsbezirk. Geblieben ist das belastende Lagersystem ohne Privatsphäre und mit Katastrophalen sanitären Zuständen.

Uschi Aßfalg

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