Neues Deutschland, 28.05.2013
Angriffe auf Münchens Linke
Zusammenhang mit Beginn des NSU-Prozess vermutet
Jüngster Fall ist die Attacke auf den Kurt-Eisner-Verein, dem bayerischen Ableger der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS). In deren Büro in der Westendstraße 19 wurden vergangenen Freitag alle vier Fensterscheiben eingeschlagen. Christa Meist, die Vorstandsvorsitzende des Vereins, sprach von einer »Objektliste«, die von rechtsradikalen Tätern gezielt abgearbeitet würde. Angesichts der Anschläge forderte Eva Bulling-Schröter, Landessprecherin der bayerischen Linkspartei, die Solidarität aller Parteien: »Faschistische Angstmacherei darf auch in Bayern keine Chance haben«, so Bulling-Schröter in einer Presseerklärung.
Es war am vergangenen Freitag, morgens gegen drei Uhr, als ein Anwohner in der Westendstraße einen lauten Knall hörte. Er sah aus seinem Fenster und konnte feststellen, dass im Erdgeschoss des gegenüberliegenden Hauses vier Fensterscheiben des Büros der Kurt-Eisner-Stiftung eingeschlagen waren. Er verständigte die Polizei, eine »sofort eingeleitete Fahndung«, so der Polizeibericht, verlief allerdings ergebnislos.
Der Angriff in der Westendstraße ist das bisher letzte Glied in einer Serie von Attacken auf linke Einrichtungen in München: Im April wurde das Schaufenster des Bayerischen Flüchtlingsrates in der Augsburger Straße zunächst mit neonazistischen Propagandaaufklebern des »Freien Netz Süd« überklebt, dann in der Nacht vor der großen Demonstration gegen den Naziterror am Vorabend des ursprünglichen Eröffnungstermins des NSU-Prozesses das Schaufenster eingeschlagen. Genau an der Stelle, wo das Demo-Plakat hing. Anfang Mai wurde das alternative Wohnprojekt »Ligsalz 8« im Westend mit Eiern beworfen, Parolen in die Scheiben geritzt. Am 13. Mai wird der Eingang zum Büro der Rechtsanwältin Angela Lex, die eine Nebenklägerin im NSU-Prozess vertritt, massiv mit Fäkalien verdreckt.
Es werde deutlich, dass sich Rechte in München mit den Angeklagten solidarisieren und es lokale Unterstützer gebe, so die Münchner Rechtsanwältin, die die Witwe von NSU-Opfer Theodoros Boulgarides vor Gericht vertritt. Die Fäkalien vor ihrer Bürotür seien weniger ein Angriff auf sie als auf die NSU-Opfer und ihre Angehörigen. Zwei Tage später werden die beiden Schaufenster im Erdgeschoss der »Ligsalz 8« eingeschlagen, wiederum einen Tag später das Haus mit Farbbeuteln beworfen.
Für Christa Meist vom Kurt-Eisner-Verein kommen die Täter »offensichtlich« aus der rechten Ecke. Die bisherigen Ziele lassen vermuten, dass es eine Art »Objektliste« gebe, nach denen die Täter gezielt vorgingen. Denn wenn es um gewöhnlichen Vandalismus ginge, dann wäre es ein ungemein großer Zufall, dass die Täter »ausschließlich Einrichtungen attackieren, die Flüchtlinge Unterstützen, in denen sich Migranten treffen, die Opfer von Naziattacken rechtlich vertreten«, so Meist.
Für Bulling-Schröter reiht sich der jüngste Anschlag auf das Büro des Kurt-Eisner-Vereins ein in die rechtsradikale Anschlagserie, die »zunächst als Einzelfälle bagatellisiert« wurden. »Die LINKE verlangt eine Solidarität der gesamten Gesellschaft und aller Parteien mit denjenigen, die durch die Angriffe in Angst und Schrecken versetzt werden sollen«, so die Landessprecherin.
Besonders schockiert zeigte sich Bulling-Schröter darüber, dass die faschistischen Übergriffe Menschen treffen sollten, »die sich am engagiertesten für die Aufklärung des NSU-Terrors einsetzen«. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte sie auf »endlich zur Kenntnis zu nehmen, wo die wirklichen Feinde der Demokratie stehen«, nämlich rechts. Die Kriminalisierung linker und antifaschistischer Gruppen müsse aufhören, das gieße Wasser auf die Mühlen rechter Angreifer.
Die Vereinsvorstandsvorsitzende Christa Meist forderte die Polizei auf, »linke Objekte künftig vor Angriffen dieser Täter zu schützen«, die Polizeibehörden müssten rasch und mit ausreichend Personal in rechten Kreisen ermitteln und stadtteilbezogen präventiv tätig werden. Ein Münchner Polizeisprecher erklärte, man nehme die Attacken ernst, Maßnahmen seien ergriffen worden.
Rudolf Stumberger
Quelle: Neues Deutschland