Süddeutsche Zeitung, 13.09.2012

„Als Flüchtling ist man hier der Letzte"

Ashkan Khorasani fordert mehr Rechte für Asylbewerber - darum will auch er nach Berlin

 

Der Iraner Ashkan Khorasani ist einer der mehr als 30 Asylbewerber, die derzeit in Richtung Berlin unterwegs sind, um so unter anderem gegen die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften und die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit zu demonstrieren (Residenzpflicht). Zeitgleich zum Protestmarsch fährt ein Info-Team der Asylbewerber auf dem Weg nach Berlin mit einem Bus die Städte im Westen Deutschlands ab. Der 23-Jährige berichtet über die Hintergründe dieser Aktion.

SZ: Ihre Versorgung in den Städten ist durch Unterstützergruppen gesichert. Wie sieht es denn auf dem Land aus?
Ashkan Khorasani: Die Menschen hier lassen uns ihre Solidarität spüren. Wir sind für eine Sache unterwegs, die alle etwas angeht: Würde und Freiheit. Überdies: Für uns Flüchtlinge ist es auch kein Problem, mal im Schlafsack unter freiem Himmel zu übernachten. Nahezu alle haben das auf der Flucht mitgemacht, bis sie in Deutschland waren. Und da ging es um Tausende von Kilometern. Jetzt nach Berlin, das sind es doch nur einige hundert Kilometer.

Sind Sie denn so sicher, dass die Gruppe in Berlin ankommt? Was, wenn die Polizei sie aufhält?
Wir gehen nach Berlin, und ich glaube nicht, dass das ein Problem darstellt. Das ist doch ein freies Land. Außerdem: Wir tragen hier ja keine Plakate oder Spruchbänder durch die Lande.

Worauf stellen Sie sich seitens der Behörden ein, wenn der Protestzug nun Bayern verlässt?
So wie sich unsere Lebenssituation gestaltet, brauchen wir unsere Kraft für andere Dinge, als darüber nachzugrübeln, wie sich unter Umständen die Behörden uns gegenüber verhalten könnten. Wir erwarten jetzt auch keine Aktionen gegen uns - denn letztlich sind wir hier doch in einem Land, in dem Regeln und Gesetze zum Wohle der Menschen gemacht sein sollten. Wir hoffen darauf, dass die Verantwortlichen verstehen, dass wir ein Recht darauf haben, auf unsere Probleme aufmerksam zu machen. Die sind doch auch Menschen.

Sie haben also keine Angst? Immerhin setzen sich alle Teilnehmer des Protestmarsches über ihre Residenzpflicht hinweg.
Angst hatte ich zu keinem Zeitpunkt. Ich bin mit mir im Reinen: Ich kenne meine Möglichkeiten, kenne meine Ziele. In meiner Heimat war ich ganz anderen Risiken ausgesetzt. Als ich mich dort an Demonstrationen gegen das Regime beteiligte, wurde ich verhaftet und von der Polizei brut gefoltert. Soviel zu meiner Geschichte.

Warum gehen Sie nun hier in Deutschland auf die Straße?
Als Flüchtling ist man hier in dieser Gesellschaft der Letzte in der Reihe, und das hat man uns spüren lassen. Das einzige, was uns hier übrig bleibt, ist zu kuschen, Anordnungen zu befolgen - ohne Rechte. Und das merkt man vom ersten Augenblick an, in dem man ins Flüchtlingslager kommt.

Wann haben Sie gemerkt, dass Sie sich dagegen wehren müssen?
Von Anfang an. Ich bin ein politisch denkender Mensch. Und wenn eine Gesellschaft menschenfeindlich handelt, dann erhebe ich dagegen meine Stimme - das war in meiner Heimat ja nicht anders.

Welche Rolle spielte der Selbstmord eines Ihrer Landsleute in Würzburg?
Nun, natürlich ist so eine solche Verzweiflungstat ein Schock. Erst vor wenigen Tagen hat sich ein weiterer iranischer Flüchtling in Stuttgart das Leben genommen. Selbstmord kann ein Katalysator sein, die Wut auf Demütigungen und Einschränkungen herauszulassen. Aber hier geht es nicht nur um Gefühle. Hier geht es darum, dass wir einen Missstand erkannt haben und nun etwas tun müssen, um unsere Lage als Flüchtlinge zu verändern.

Interview: Dietrich Mittler



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