DDP, 16.04.2009

Aktion gegen Zwangslager für Flüchtlinge in Bayern gestartet - Das «Pech», nach Bayern zu kommen

Als Felleke Bahiru Kum vor acht Jahren aus dem kriegsgebeutelten Äthiopien floh, hoffte er, in Deutschland ein neues Zuhause zu finden. Doch bei der zentralen Umverteilung drei Tage nach seiner Ankunft hatte er das «Pech», nach Bayern zu kommen, wie er heute sagt. Bayern hat nämlich deutschlandweit das rigideste Aufnahmegesetz und zwingt Flüchtlinge, jahrelang unter «teils menschenunwürdigen Verhältnissen» in Sammellagern zu leben, wie Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat beklagt. Darauf will die Organisation mit ihrer Aktion «LagerInventour» aufmerksam machen, die am Donnerstag in München gestartet ist.

14 Flüchtlingslager wollen die Menschenrechtler anfahren und eine Art Bestandsaufnahme über die Verhältnisse dort machen. Anlass ist eine lang erkämpfte Anhörung im bayerischen Landtag am 23. April, bei der es um die Lebenssituation in Flüchtlingslagern und Alternativmodelle für die Unterbringung gehen soll. «Wohnungen statt Flüchtlingslager» fordert der Flüchtlingsrat zum Start der Aktion und stellt Felleke vor, der seit mehr als acht Jahren in einer solchen «Übergangslösung» haust.

Felix, wie Felleke seit seiner Ankunft in Deutschland genannt wird, war zunächst in einem Lager im mittelfränkischen Zirndorf untergebracht und dann ins schwäbische Donauwörth verlegt worden. Dort musste er sich das neun Quadratmeter große Zimmer ausgerechnet mit einem Mann aus Eritrea teilen. Eritrea ist das Land, gegen das Äthiopien Krieg geführt hat - der Grund für Felix' Flucht. «Wir haben herausgefunden, dass wir sogar an derselben Front gekämpft haben, er auf der einen, ich auf der anderen Seite», sagt er. Doch in der Not habe man sich trotzdem angefreundet.

Mit «Not» meint Felix kein Hungerleiden, keine Todesängste und keinen Krieg wie in seiner Heimat. Was die Not der Flüchtlinge in Bayern ausmacht, ist die komplette Isolierung von der Gesellschaft. In dem Lager in Nördlingen, wo Felix mittlerweile untergebracht ist, teilt er sich Dusche, Toilette und Küche mit 17 anderen Flüchtlingen - von Privatsphäre keine Spur. Und die Bewohner in der Nähe der Lager sind voller Skepsis. «Die Menschen haben Angst vor uns», sagt Felix.

Thal macht konkrete Vorschläge, was man gegen diese Isolation und für eine bessere Integration der Menschen in Bayern tun könnte: Wären die Menschen nicht zur Unterbringung in Lagern gezwungen, könnten sie sich für die 400 Euro, die der Freistaat monatlich pro Flüchtling und Schlafplatz ausgibt, eine eigene Bleibe suchen. «Wenn man da nicht unbedingt in der Münchner Innenstadt sucht, kommt man sogar noch günstiger weg», rechnet Thal vor.

Warum der Freistaat hier freiwillig laut Thal mehr Geld ausgibt, als nötig wäre, ist für den Flüchtlingsrat klar: Die knapp 8000 Betroffenen sollten auf engstem Raum und unter schwierigsten Verhältnissen untergebracht werden, damit sich ihre Bereitschaft zur «freiwilligen» Heimkehr erhöht, wirft die Organisation dem Freistaat vor.

«Es gibt vonseiten der Regierung gar kein Interesse, diese Leute zu integrieren», sagt auch Co-Geschäftsführer Matthias Weinzierl. Die oft traumatisierten, entwurzelten Flüchtlinge würden hier auf engstem Raum «zusammengepfercht», und zwar nicht als Übergangslösung, sondern teilweise für Jahrzehnte. «Es gibt Menschen, die verbringen ihren Lebensabend in diesen Lagern, obwohl klar ist, dass sie definitiv nie abgeschoben werden», sagt Weinzierl.

Mit der Anhörung im Landtag hoffen die Menschenrechtler nun, eine erste Hürde im Kampf gegen die Sammellager zu nehmen. «Das ist ein Symbol, dass das Thema auf dem Tisch ist», sagt Thal voller Zuversicht. Die «CSU-Hardliner» hätten jahrelang abgeblockt. Mit der FDP hoffe er nun auf eine Änderung des bayerischen Aufnahmegesetzes von 2002. Dann gäbe es auch Hoffnung für viele Flüchtlinge, die seit Jahren in bayerischen Lagern sitzen und ohne Perspektive «langsam verrückt werden», wie Felix es beschreibt.

Von ddp-Korrespondentin Katharina Wiechers

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