Süddeutsche Zeitung, 13.11.2012
Abschiebung trotz Bluterkrankheit
Coburg - Ein heikler Fall von Abschiebung erregt in Coburg die Gemüter: Der 20-jährige Afghane Matin Amiri, der bis zuletzt in Oberfranken lebte, soll an diesem Dienstag nach Italien ausreisen. Der junge Mann leidet nach Angaben des Bayerischen Flüchtlingsrates (BFR) an der Bluterkrankheit, wiegt gerade einmal 47 Kilo und kann nur schwer ohne fremde Hilfe gehen. 'Eine Abschiebung ist für ihn schlicht lebensgefährlich', empört sich BFR-Sprecher Tobias Klaus. Das europaweite Abkommen 'DublinII' aus dem Jahr 2003 sieht vor, dass das zuerst betretene Land für das Asylverfahren zuständig ist. Deshalb hatte Amiri Deutschland bereits im Jahre 2011 in Richtung Italien verlassen müssen, wo er als Obdachloser auf der Straße landete. Der Mittelmeerstaat sei mit den vielen Flüchtlingen - allein 2011 waren es 60 000 - heillos überfordert, betont Klaus. Es gebe dort lediglich 3000 staatliche Unterbringungsplätze. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stuft den jungen Afghanen nicht als Härtefall ein und macht daher keinen Gebrauch vom sogenannten Selbsteintrittsrecht. Damit könnte es das Asylverfahren für Deutschland beanspruchen und eine Abschiebung vorerst verhindern. Klaus kann den Verzicht nicht nachvollziehen: 'Die Zuständigkeit Italiens vorzuschieben ist zynisch und menschenverachtend, im Bundesamt ist bekannt, dass Flüchtlinge dort meist obdachlos und ohne staatliche Versorgung überleben müssen.' gma
Quelle: Sueddeutsche Zeitung