08.06.2018
Zum Fall Susanna F. aus Sicht von Flüchtlingshelfer*innen
Auch wir sind betroffen vom Fall Susanna F. und stehen weiterhin für Flüchtlingsrechte und Integration ein
Das Team des Bayerischen Flüchtlingsrates ist sehr betroffen vom Sexualmord an Susanna F. und wir möchten den Angehörigen und Freunden von Susanna F. unser tiefes Mitgefühl und Beileid aussprechen. Fälle wie diese dürfen nicht passieren. Alle Menschen, egal welcher Herkunft und egal wo auf der Welt, müssen sicher sein vor solchen Übergriffen, Täter müssen bestraft werden.
Geflüchtete und Flüchtlingshelfer*innen, auch in Bayern, werden für diese Taten nun mitverantwortlich gemacht und angefeindet. Das finden wir falsch. Weder ist die Schuld des vermeintlichen Täters bisher bewiesen, noch dürfen die Taten Einzelner pauschalisierende Aussagen über eine konstruierte Gruppe nach sich ziehen.
Wir sehen die Lösung für das komplexe Thema nicht in Abschiebungen und oder einer Reduzierung von Flüchtlingszahlen. Wir nehmen wahr, dass sich Tatsachen vermischen, die getrennt voneinander debattiert werden müssen - Strafrecht und Asylrecht - und Zusammenhänge hergestellt werden, die ein Zeichen von Hilflosigkeit, Betroffenheit und zum Teil auch von Rassismus in unserer Gesellschaft sind. Darüber hinaus werden Fälle wie der von Susanne F. benutzt, um eine Meinung zu beeinflussen und politische Forderungen – hier die Forcierung von Abschiebungen – zu rechtfertigen. Die Tat selbst, das Opfer und deren Angehörige treten in den Hintergrund.
Eine Diskussion über kriminelle Taten von Geflüchteten muss unabhängig von Taten Einzelner geführt werden. Ansonsten kann sie nicht sachlich geführt werden, sondern bleibt eine emotionale Reaktion auf eine abscheuliche Tat. Wird diese Diskussion nun sachlich geführt, so muss vor allem die Lebenssituation von Geflüchteten beachtet werden. Denn diese trägt zu kriminellem Verhalten der Menschen bei. Menschen aus unserer Gesellschaft in Lagern auszugrenzen, ihnen ein Ohnmachtsgefühl zu geben, sie mit ihren Problemen alleine und verzweifeln zu lassen und sie nicht in unsere demokratische Gesellschaft zu integrieren, ist aus unserer Sicht eine Ursache für kriminelles Verhalten. Individuelle und sonstige Faktoren dürfen dabei natürlich nicht unter den Tisch fallen. Deshalb fordern wir vor allem die Teilhabe von Geflüchteten von Anfang an und damit auch die Förderung demokratischer Erlebnisse.
„Täter*innen müssen strafrechtlich verfolgt werden, das ist keine Frage. Abschiebungen sind jedoch keine Lösung, denn was ist mit den Menschen in den Ländern, die die Abgeschobenen aufnehmen müssen?“, fragt Jana Weidhaase, Mitarbeiterin des neu gestarteten Projekts We Talk! Women fight violence des Bayerischen Flüchtlingsrates.
„Weiterhin finden wir, dass Sicherheit für alle gelten muss.“ sagt Jana Weidhaase. „Wir fordern, dass Übergriffe auf geflüchtete Frauen und Kindern in Lagern mindestens genauso stark gesellschaftlich thematisiert werden, wie Übergriffe auf Menschen außerhalb von Flüchtlingslagern. Übergriffe müssen erschwert und verhindert und, sofern sie dennoch geschehen, schnell aufgeklärt werden“ so Weidhaase weiter.
Komplexe Themen wie dieses erfordern eine differenzierte Debatte und können nicht durch rechten Populismus erklärt oder gelöst werden.