06.03.2018
Zentrale Abschiebebehörde trickst und täuscht
ZAB Mittelfranken versucht, Syrer trotz bescheinigter Reise- und Flugunfähigkeit nach Bulgarien abzuschieben
Am frühen Morgen des 19. Februar 2018 wurde Ibrahim K. von Polizeibeamten in seiner Unterkunft abgeholt und sollte nach Bulgarien abgeschoben werden. Der heute 26-Jährige Syrer reiste im Januar 2015 nach Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte diesen kurze Zeit später als unzulässig ab, da Ibrahim K. bereits in Bulgarien als Flüchtling anerkannt wurde. Weil er jedoch aufgrund traumatischer Erlebnisse während seiner Flucht über Bulgarien massive psychische Probleme mit Attesten und Fachgutachten nachweisen konnte, beauftragte die Zentrale Abschiebebehörde (ZAB) ein ärztliches Gutachten durch eine Amtsärztin, um die Reisefähigkeit von Herrn K. feststellen zu lassen. Noch bevor das Gutachten fertig gestellt werden konnte, erkundigte sich die zuständige Sachbearbeiterin der ZAB beim Gesundheitsamt Nürnberg nach dem aktuellen Stand. In einer E-Mail teilte daraufhin die begutachtende Ärztin der ZAB vorab mit, dass nach dem bisherigen Kenntnisstand Herr K. weder flug- noch reisetauglich ist. Zwei Tage später erklärte die ZAB auf Nachfrage gegenüber Ibrahim K.s Anwalt, dass noch kein Gutachten vorliege. Am darauffolgenden Tag wurde von der ZAB sogar K.s Duldung verlängert. Doch das scheinen nur Ablenkungsmanöver gewesen zu sein: Die ZAB hatte bereits den Abschiebeflug gebucht und ließ Ibrahim K. drei weitere Tage später verhaften und zum Münchner Flughafen bringen. Mittlerweile ist das Gutachten des Gesundheitsamtes Nürnberg bei der ZAB eingegangen und bescheinigt, dass Ibrahim K. weder flug- noch reisetauglich ist. Jedoch hält die ZAB an ihrem trickreichen und menschenunwürdigen Abschiebeplan fest: das von ihr selbst in Auftrag gegebene amtsärztliche Gutachten sei nichtig und Ibrahim K. „laut Aktenlage“ noch immer flug- und reisefähig.
„Die Mitarbeiterin der ZAB teilte mir mit, dass es noch kein Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung gibt und dass mein Mandant deshalb weiterhin geduldet wird – die Abschiebung also ausgesetzt bleibt. Und dennoch wird er kurz darauf zur Abschiebung abgeholt. Das ist eine gezielte Täuschung, um den Mandanten in die Irre zu führen und Rechtschutz zu erschweren“, so Ibrahim K.s Rechtsanwalt Yunus Ziyal. „Das darf in einem Rechtsstaat nicht geschehen!“
Martin Weibelzahl hat Ibrahim K. schon kurz nach seiner Ankunft in Deutschland durch ein Sprachtandem-Projekt kennengelernt und begleitet ihn seitdem. Mit seiner Unterstützung ist es Ibrahim K. gelungen, seine Deutschkenntnisse großartig zu verbessern, so dass er sich als immatrikulierter Student an der Technischen Hochschule Nürnberg im Rahmen des Integra-Programms, trotz seiner sehr schwierigen Situation bereits auf ein Studium vorbereitet.
Martin Weibelzahl: „Als ich von der versuchten Abschiebung erfuhr, war ich zutiefst erschüttert. Ich kenne Ibrahim nun schon sehr lange, habe mit ihm Deutsch gelernt, Praktikumsplätze vermittelt und ihn im Alltag begleitet. Ibrahim könnte man als Vorbild in Sachen Integration bezeichnen, der auf dem besten Weg zur Aufnahme des Studiums der Sozialen Arbeit war. Eine Abschiebung nach Bulgarien wäre die Abschiebung in Obdachlosigkeit, Armut und Perspektivlosigkeit. Ich will mir gar nicht ausmalen, was das für seine Gesundheit bedeuten würde. Warum die Ausländerbehörde ihm so viele Steine in den Weg legt und ihm keine Chance lassen will, kann ich nicht verstehen. Das ist ein Skandal!“
„Die bayerischen Behörden halten weiter an ihrer restriktiven, menschenverachtenden Abschiebepraxis fest und scheuen sich nicht, mit Tricks und Täuschungen Abschiebungen durchzusetzen. Dies scheint gerade im Hinblick auf die Landtagswahlen 2018 die politische Stoßrichtung zu sein, um rechte WählerInnen für sich zu mobilisieren“, kritisiert David Förster vom Bayerischen Flüchtlingsrat.