18.03.2004

Zahlreiche Algerier von Abschiebung bedroht

In dem Flüchtlingslager an der Tischlerstraße 30, in Fürstenried-West, fand am gestrigen Mittwoch eine Botschaftsvorführung für ca. 100 Algerier statt. Polizeibusse brachten algerische Flüchtlinge aus vier Bundesländern nach München, um für die Abschiebung erforderliche „Heimreisepapiere“ ausstellen zu lassen. Mitglieder der KARAWANE protestierten gegen die anhaltenden Abschiebungen in das Bürgerkriegsland.

Trist ist es in der „Gemeinschaftsunterkunft“ an der Tischlerstrasse. Ein eingezäuntes Gelände mit fünf Baracken am Stadtrand von München. Besonders trist war allerdings der gestrige Mittwoch: Ab 9 Uhr fuhren Gefängnisbusse und Polizeifahrzeuge auf das Gelände. Sie brachten abgelehnte AsylbewerberInnen aus Niedersachsen, Bayern, Baden-Württemberg und Hessen nach München. Algerische Flüchtlinge aus München hatten sich ebenfalls in der Tischlerstrasse einzufinden. Der Grund war eine sogenannte Botschaftsvorführung. Einem Vertreter der algerischen Botschaft wurde in dem Lager ein Raum zur Verfügung gestellt, in dem er die Flüchtlinge dann „interviewte“. Auf Basis dieses Verhörs stellt der Botschaftsvertreter die Herkunft fest. Wird die Herkunft bestätigt, kann abgeschoben werden.

Die KARAWANE protestierte vor dem Lager gegen diesen Botschaftstermin, den wir als Teil der Abschiebeprozedur nach Algerien betrachten. Mit der Botschaftsvorführung stützt sich die Regierung von Oberbayern in eigenem Abschiebeinteresse auf die Aussagen eines Unrechtsregimes. Dieses Vorgehen ist skandalös und nicht vertretbar.

Seit nunmehr 14 Jahren herrscht in Algerien Bürgerkrieg. Die Regierung missachtet auf Basis der Anti-Terrorgesetzte von 1992 selbst elementarste Grundrechte. In dem Land herrscht weiterhin der Ausnahmezustand. Militärs kontrollieren weite Teile des Landes, extralegale Verhaftungen und Folterungen durch Militär und Polizei sind an der Tagesordnung. Im letzten Jahr wurden bei Demonstrationen zehn Zivilisten widerrechtlich getötet, berichtet amnesty international. Trotz der massiven Repression kommt es in einigen Teile des Landes zu immer widerkehrenden Volksaufständen und Revolten. Knapp die Hälfte der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze.

Ein algerischer Flüchtling berichtete vor der Unterkunft, dass einem Großteil der nach Algerien Abgeschoben eine Gefängnisstrafe wegen der Überziehung von Visafristen drohe. Ein bis zwei Monate unter katastrophalen Haftbedingungen seien das übliche Strafmaß. "In zahlreichen Aussagen beklagen Häftlinge und Rechtsanwälte die fürchterlichen Haftbedingungen: Überbelegung, Drogen, Krankheiten, darunter auch AIDS, Unterernährung und Gewalt. Diese unmenschlichen Zustände in den Gefängnissen führten zu vielen Meutereien mit etwa 50 Toten und über hundert Verletzten.“, berichtet die algerische Menschenrechtsorganisation Algeria-Watch in ihrem Menschenrechtsbericht für 2002.

Trotz gravierender Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Organe werden algerische Asylsuchende von deutschen Behörden und Gerichten systematisch abgelehnt. Im Jahr 2002 erhielten nur 4 Algerier in ganz Deutschland Asyl. Eine neue Bewertung der Lage in Algerien durch das Auswärtige Amt ist dringend notwendig, wir fordern einen sofortigen Abschiebestopp nach Algerien.

Zurück