29.10.2009

"Wenn du lange im Lager lebst, wird dein Kopf krank!"

Trotz anders lautender Schlagzeilen: Containerlager für Flüchtlinge sind keine „Heimat“!

 

Ein konkretes Beispiel zur andauernden politischen Debatte um Flüchtlingslager:

Im Gegensatz zur Darstellung in der Süddeutschen Zeitung vom 29.9.09 leiden die Flüchtlinge in der Gemeinschaftsunterkunft in der Münchner St.-Veit-Straße, denn es ist keine „Heimat mit hellhörigen Wänden“, es herrscht dort auch kein „harmonisches Miteinander“, sondern es handelt sich um ein Containerlager, das wegen der unzumutbaren Zustände Ende 2010 geschlossen werden soll.. Die Flüchtlinge, die dort zum Teil seit vielen Jahren leben müssen, empfinden ihre Wohnsituation schlicht als menschenunwürdig.

Mit großem Erstaunen lasen wir in der Süddeutschen Zeitung vom 29.9.09 den Artikel über die Flüchtlingsunterkunft St.-Veit-Straße. Seit Jahren versuchen die Karawane München und Jugendliche ohne Grenzen Bayern als Teil des Netzwerks Deutschland Lagerland  zu erreichen, dass alle Gemeinschaftsunterkünfte geschlossen werden, und die Flüchtlinge in normalen Wohnungen leben können. Die Containerlager sind sogar der Bayerischen Regierung als besonders inhuman bekannt – entsprechend wird ja auch die St.-Veit-Straße kommendes Jahr geschlossen.

Erst kürzlich stimmte der Sozialausschuss des Münchner Stadtrats dafür, alle Container-Flüchtlingsunterkünfte möglichst bald zu schließen (08-14 / A 01141) – und der Bayerische Landtag debattiert seit Monaten über die Flüchtlingslager.

Umso erstaunlicher fanden wir die Darstellung in der SZ mit  Bezeichnungen wie „Weltdorf“, „Heimat“ und „harmonisches Miteinander“ – das Containerlager wird als liebenswerte Wohngemeinschaft gezeichnet, in der Flüchtlinge sogar freiwillig bleiben, weil es so schön ist.

Dieses Bild möchten wir so nicht stehen lassen und unsere Kontakte zu Lager-Bewohnerinnen zeigen, dass viele alles anderes als glücklich darüber sind, dort leben zu müssen – und dass sie sich sehr über die beschönigende Darstellung ihres Lagers geärgert haben. Auch der Caritas-Sozialdienst, der die Flüchtlinge vor Ort betreut, war „befremdet über die einseitige Berichterstattung“ und setzt sich weiter für einen „menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen“ und eine Verbesserung ihrer Lebensumstände ein, wie uns die Fachdienstleiterin Rosemarie Ghorbani mitteilte.

Der Artikel beginnt: „Die 16 Jahre alte Containerunterkunft neben dem Trambahnhof an der St.-Veit-Straße ist grün eingewachsen und sie hat einen einladenden Spielplatz, auf dem sich nachmittags die Mütter treffen, sobald sie gemeinsam ihre Wäsche in den Wind gehängt haben. Der Rasen um die blau gestrichene Sitzgruppe ist gepflegt…“ Tatsächlich stinkt es dort stark nach Müll, weswegen sich die Bewohner nicht in den Hof setzen, denn der riesige Müllcontainer ist immer übervoll. In den Containern herrscht Platznot in Kombination mit hygienischen Mängeln. Es ist schmutzig und für 40 Männer, bzw. 20 Frauen stehen nur drei Toiletten/Duschen zur Verfügung, die zudem alles andere als im besten Zustand sind.

Die Bewohner beklagen, dass Männer und Frauen in den Containern nicht voneinander getrennt untergebracht sind, es gibt oft Streit, die manchmal in brutalen Schlägereien enden. Das Lagerleben macht die Menschen krank, einige sind drogenabhängig. Von Harmonie ist im Alltag nichts zu spüren. Ein Bewohner stellt fest: "Wenn du so lange im Lager lebst, wird dein Kopf krank, viele verletzen sich auch selbst", ein anderer beichtet von einem Selbstmord.

Es gibt keine Privatsphäre in der Unterkunft: „Man kann die Probleme der anderen nicht einfach los werden, indem man die Tür zu macht.“ Zudem fühlen sich einige durch die Leitung und die Sicherheitsleute drangsaliert: "Wenn dem Chef etwas nicht passt schickt er dir die Security. Die kommen dann mitten in der Nacht. Sie hämmern gegen die Tür, und dann benutzen sie ihren Schlüssel und kommen einfach rein."

Was sich die Flüchtlinge wünschen, ist ein Umzug in ganz normale Wohnungen: "Wir wollen nur leben, ganz normal, nicht mehr."

Zusammen mit ihnen fordern die Karawane München und die Jugendlichen ohne Grenzen Bayern nicht nur die Schließung der Unterkunft in der St.-Veit-Straße, sondern aller Lager!

Wir bitten Sie, über die Missstände zu berichten – und weisen daraufhin, dass die Aktionen von Deutschland-Lagerland fortgesetzt werden.

 

Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten / Jugendliche ohne Grenzen Bayern

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