21.09.2010

„Vollzug rassistischer Politik“ von der Meinungsfreiheit gedeckt

Am Mittwoch, den 22. September 2010, steht Karawanemitglied Hans-Georg E. wegen Beleidigung von Polizeibeamten vor Gericht

Am morgigen Mittwoch wird der Prozess gegen das Mitglied der Karawane München. Für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen! Hans-Georg E. fortgesetzt. An diesem Prozesstag wird unter anderem der Vorwurf einer angeblichen Beleidigung gegenüber Polizisten verhandelt.

Am Rande der antirassistischen Lagerland-Aktionstage im Juni 2009 in München wurde ein teilnehmender Flüchtling am Stachus aufgrund seines Aussehens von der Polizei kontrolliert, wegen Verstoßes gegen die Residenzpflicht – er hätte den Landkreis Neuburg-Schrobenhausen nicht verlassen dürfen – festgenommen und gezwungen, mit dem nächsten Zug die Stadt zu verlassen. Hans-Georg E., der den Vorfall beobachtete, hielt den Polizeibeamten vor: „sie vollziehen genau diese rassistische Politik“. Dies nahmen die Polizisten zum Anlass, ihn wegen Beleidigung anzuzeigen.

Die deutsche Praxis der in Europa einmaligen Residenzpflicht verbietet es Flüchtlingen, den Landkreis zu verlassen, in dem sich ihr Flüchtlingslager befindet. In Bayern wurde die Residenzpflicht für die Mehrheit der Flüchtlinge im Asylverfahren unlängst auf die Regierungsbezirke ausweitet. Ihre Nichtbeachtung zieht Strafen von bis zu einem Jahr Gefängnis nach sich.

Die Karawane München und der Bayerische Flüchtlingsrat fordern schon seit Jahren die Abschaffung der Residenzpflicht, da sie einen massiven Eingriff in das Leben von Flüchtlingen darstellt und zu ihrer Ausgrenzung beiträgt. Da ihre Einhaltung von Polizeibeamten überprüft wird, die speziell in Zügen und an Bahnhöfen Flüchtlinge und MigrantInnen aufgrund ihres Aussehens kontrollieren, halten wir es für absolut legitim, diese Praxis als „rassistische Kontrollen“ oder „Vollzug rassistischer Politik“ zu bezeichnen. „Diese menschenverachtende Vorschrift verletzt massiv das elementare Menschenrecht auf Bewegungsfreiheit. Arbeitsmöglichkeiten, Familienbesuche und andere Aktivitäten außerhalb der engen Grenzen des Landkreises oder Regierungsbezirks bleiben somit jedem Flüchtling grundlos verwehrt“, kritisiert Lukas Gerbig von der Karawane München.

Hans-Georg E. hat diese rassistischen Kontrollen offen als solche benannt. Dies ist durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt und kann deshalb nicht unter Straf gestellt werden. Der Versuch, diese legitime Kritik an staatlichem Handeln als “Beleidigung” zu kriminalisieren, ist absurd.

„Wir stehen solidarisch und geschlossen hinter unserem langjährigen Mitstreiter Hans-Georg E.“, kommentiert Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat.

Lukas Gerbig ergänzt: „Der Schauprozess gegen Hans-Georg E. muss sofort beendet werden. Nicht die freie Meinungsäußerung gehört verboten, sondern die Residenzpflicht für Flüchtlinge und MigrantInnen“

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