22.03.2018
Völlig überzogener Polizeieinsatz in Donauwörth
Betroffene Flüchtlinge kommen selbst zu Wort / Flüchtlingsrat fordert unabhängige Untersuchung der Vorgänge
Bayerischer Flüchtlingsrat: Im Rahmen unserer heutigen Pressekonferenz zum Polizeieinsatz in der Erstaufnahmeeinrichtung (EA) in Donauwörth am 14.3.18 konnten zum ersten Mal Bewohner*innen des Lagers ihre Erlebnisse des Tages schildern, die wir im Folgenden wiedergeben. Alle wiesen den Vorwurf, aggressiv gegenüber der Polizei aufgetreten zu sein, weit von sich.
Die Flüchtlinge aus Gambia haben in der Vergangenheit ein „Integration Committee“ gegründet, in dem Personen engagiert sind, die das Vertrauen der Mitbewohner*innen genießen. Sie bilden die Vertretung gegenüber den Behörden in der EA und verhandeln über ihre Anliegen und die Verbesserung ihrer Situation. Sie waren also im Gespräch mit den verantwortlichen Stellen und sehen generell keinen Grund, aggressiv aufzutreten. Sie achten die Gesetze dieses Landes und der EA.
Am frühen Mittwochmorgen gegen 3 Uhr kam ein Fahrzeug der Polizei in die EA. Die Beamt*innen wollten einen Flüchtling aus Gambia zur Dublin-Abschiebung nach Italien abzuholen. Während dieses Einsatzes wurde der Feueralarm ausgelöst. Wer das getan hat, ob die Polizei, der Sicherheitsdienst oder andere Bewohner*innen, wissen die Sprecher*innen nicht. Alle Flüchtlinge haben jedoch entsprechend der Anweisungen reagiert: Sie haben unverzüglich ihre Zimmer verlassen und sich am zentralen Sammelpunkt am Ausgang des Lagers versammelt. Die Polizei habe daraufhin ihren Einsatz abgebrochen und sei abgefahren.
Am Nachmittag kam die Polizei mit ca. 200 Beamt*innen wieder. Die Ein- und Ausgänge des Lagers wurden für mehrere Stunden blockiert, alle Bewohner*innen mussten bleiben wo sie sind und wurden nacheinander kontrolliert. Mitarbeiter*innen des Maltheser Hilfsdienstes, der als Betreiber der EA in Donauwörth fungiert, hätten die Polizeibeamt*innen dabei unterstützt, Flüchtlinge anhand einer Liste zu identifizieren. Wer auf dieser Liste aus welchen Gründen stand, ist für die Flüchtlinge nicht nachvollziehbar. Wer den Befehlen der Polizei nicht sofort Folge leistete, wurde mit Pfefferspray und Tränengas besprüht und verhaftet. Da das Tränengas auch in den Korridoren der Unterkunft eingesetzt wurde, hätten Flüchtlinge Glasscheiben zerbrochen, um Luft zum Atmen zu bekommen. Selbst die Mitglieder des „Integration Committees“ durften sich nicht besprechen.
Nach den Schilderungen der Bewohner*innen ist die Polizei sehr aggressiv vorgegangen. Eine Frau berichtete unter Tränen, sie habe noch nie einen solchen gewaltsamen Polizeieinsatz gesehen, weder in Gambia noch in Deutschland. Noch immer sitzen rund 30 Flüchtlinge in Untersuchungshaft, einer soll bereits abgeschoben worden sein.
Bei dem Besuch von Innenminister Joachim Herrmann am 16.3.18 haben die Vertreter*innen des „Integration Committee“ versucht, mit ihm zu sprechen, damit er sich beide Seiten anhören kann, sowohl die Polizei, als auch die betroffenen Flüchtlinge. Ein Gespräch ist ihnen jedoch verweigert worden.
„Die Bewohner*innen der Erstaufnahmeeinrichtung Donauwörth haben aus unserer Sicht glaubwürdig geschildert, dass keine Aggression und Gewalt von ihnen ausging“, erklärt Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Die Flüchtlinge aus Gambia haben sich organisiert, sogar ein Integration Committee gegründet und waren mit den Behörden im ständigen Austausch. Was der Grund für diesen völlig überzogenen Polizeieinsatz war, ist uns schleierhaft. Unabhängige Zeug*innen gibt es in solchen Großlagern naturgemäß nicht. Deshalb fordern wir eine unabhängige Untersuchung der Vorgänge, die Zugang zu allen Unterlagen von Polizei und Behörden haben muss und auch die Bewohner*innen mit einbezieht!“