15.09.2016
Vermehrt rechtswidrige Abschiebungen von schwerkranken Menschen
Bayerische Ärzteinitiative verurteilt die Abschiebepraxis der Regierung von Oberbayern
Seit mittlerweile einem Jahr betreibt die Bayerische Regierung in den Abschiebelagern Bamberg und Manching/Ingolstadt eine rigorose Abschiebepraxis. Auch wenn die Regierung alles unternimmt, die Sonderlager isoliert von der Öffentlichkeit zu halten, kommen immer wieder Fälle von rechtswidrigen und menschenrechtsverletzenden Abschiebungen schwerstkranker Menschen ans Tageslicht. Ein aktueller Fall in Ingolstadt zeigt, wie die Regierung um jeden Preis versucht, Geflüchtete abzuschieben, anstatt ein individuelles Asylverfahren mit Einzelfallprüfung zu gewährleisten. Familie Tmava floh 2015 aus dem Kosovo, da ihnen dort Blutrache droht. Auf Grund der Geschehnisse dort ist Frau Tmava schwer traumatisiert. Der Asylantrag wurde abgelehnt und seit März 2016 bekommt die Familie keinerlei Geldleistungen mehr. Diese gezielte Abschreckungspraxis der Regierung brachte die Familie aber nicht dazu, freiwillig zurückzukehren, da sie bei einer Rückkehr um ihr Leben fürchten muss. Lange Zeit wurde Frau Tmava ein Termin bei einem Psychiater verwehrt. Als sie endlich in Behandlung kam, bestätigte ihr der behandelnde Psychiater die Reiseunfähigkeit und sie nahm weiterhin regelmäßig Termine bei ihm war. Daraufhin ließ die Zentrale Ausländerbehörde die Reiseunfähigkeit vom Gesundheitsamt prüfen. Länger als zwei Monate musste die Familie in Angst vor einer Abschiebung auf das Ergebnis des Gesundheitsamtes warten. Die vom Gesundheitsamt beauftragte Psychiaterin bestätigt schließlich die Reiseunfähigkeit. Da dies wohl nicht das von der Zentralen Ausländerbehörde erhoffte Ergebnis war, beschloss diese, das Gutachten nicht zu akzeptieren und forderte ein neues Gutachten. Für Familie Tmava bedeutet das, weiter in großer Angst und ohne Geld im Abschiebelager auf ihr Schicksal zu warten.
Mit dem Asylpaket 2 sind nicht nur die Anforderungen an Atteste zur Reisefähigkeit noch einmal hochgeschraubt worden. Es hat zudem die Möglichkeiten für Flüchtlinge, überhaupt eine Begutachtung zu erreichen, erheblich reduziert, weshalb regelmäßig traumatisierte, behinderte und schwerkranke Menschen abgeschoben werden. Wie im Fall der Familie Tmava warten viele Flüchtlinge auf das Gutachten des Gesundheitsamtes, das über Bleibemöglichkeit oder Abschiebung entscheidet. Die Flüchtlinge und ihre anwaltliche Vertretung werden aber nicht informiert, wenn das Gutachten vorliegt. Anwält_innen müssen prinzipiell täglich bei der Ausländerbehörde erfragen, ob das Gutachten schon vorliegt. Die Betroffenen verbringen die Wartezeit in größter Angst, da sie nicht wissen können, ob die Polizei sie am nächsten Morgen zur Abschiebung abholt.
„Inzwischen zeigen zahlreiche Fälle, dass die Praxis der Zentralen Ausländerbehörden besonders in Manching und Bamberg gezielt Menschenrechte verletzt, um Abschiebungen durchzusetzen. Die Isolation in den Lagern schneidet die Flüchtlinge dort von Unterstützung ab und Behörden können unkontrolliert ihre Macht ausüben“, kritisiert Mia Pulkkinen vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Der Bayerische Flüchtlingsrat bewertet das Verhalten der Bayerischen Regierung als zynisch und menschenverachtend und fordert die sofortige Schließung der Ankunfts- und Rückführungseinrichtung Manching und Bamberg sowie ein faires, individuelles Asylverfahren für alle.“
Da in den Abschiebelagern besonders viele kranke Menschen untergebracht sind, hat die „Bayerische Ärzteinitiative für Flüchtlingsrechte“ das Sonderlager Manching/Ingolstadt besucht. Das Ergebnis ist ein offener Brief an Ministerpräsident Horst Seehofer mit der Forderung der sofortigen Schließung der Abschiebelager. Die Initiative hat auch eine Petition gegen die Abschiebung von Familie Tmava an den Ministerpräsidenten gerichtet. In dieser verurteilt sie die Abschiebepraxis der Regierung von Oberbayern als Gipfel der Menschenverachtung.
Zur Petition: https://www.change.org/p/ministerpr%C3%A4sident-horst-seehofer-keine-abschiebung-von-familie-t-aus-manching-gegen-rechtsfreie-r%C3%A4ume