09.01.2009

Vergewaltigung im Flüchtlingslager

Ehemaliger Hausmeister eines Nürnberger Flüchtlingslagers wegen „sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen“ am 13. und 15.01.2009 vor Gericht

Am Dienstag, den 13.01.2009 beginnt der Prozess gegen den ehemaligen Hausmeister eines mittlerweile geschlossenen Flüchtlingslagers in der Nürnberger Schloßstraße. Das Verfahren kam in Gang, weil ihn eine Bewohnerin des Flüchtlingslagers wegen sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen in den Jahren 2001 bis 2004 angezeigt hat.

Sexuelle Gewalt gegen Frauen und Kinder in Flüchtlingslagern durch Hausmeister, Wachpersonal und Verwaltungsangestellte ist kein Einzelfall. Immer wieder berichten betroffene Frauen, Beratungsstellen und Flüchtlingsorganisationen davon, dass das Personal in den Lagern seine Macht dazu benutzt, Frauen und Kinder sexuell auszubeuten, zu misshandeln oder zu vergewaltigen. Die Hausmeister haben in den meisten Unterkünften Zentralschlüssel, mit denen sie jederzeit alle Zimmer der BewohnerInnen betreten können.

Das Personal in den Flüchtlingslagern ist zudem für die Ausgabe der Essenspakete, Hygieneartikel und Post an die BewohnerInnen zuständig. Diese Machtposition, so wurde uns schon mehrfach berichtet, wird zur Erpressung von Gegenleistungen mitbraucht. Besonders neu angekommene Flüchtlingsfrauen wissen meist nicht, welche Befugnisse das Personal hat und kennen häufig ihre Rechte nicht. Erschwert wird ihre Situation, wenn sie wenig oder kein deutsch können, keine Sozialkontakte haben und auch keine unabhängigen Beratungsstellen kennen. Das macht es für betroffene Frauen extrem schwierig, sich nach erlebter Gewalt Unterstützung zu suchen oder die Täter anzuzeigen. Zudem haben sie oft, wie alle von sexueller Gewalt Betroffenen, Angst, dass ihnen nicht geglaubt wird. Sie schämen sich oder wollen möglichst schnell vergessen, was passiert ist. Trotz dieser Schwierigkeiten hat im März 2007 eine Flüchtlingsfrau aus Nürnberg Strafanzeige gegen den Hausmeister der Gemeinschaftsunterkunft Schloßstraße gestellt. Er ist nun wegen „sexuellem Missbrauch widerstandsunfähiger Personen“ angeklagt.

Der Bayerische Flüchtlingsrat schätzt solche sexuellen Übergriffe als systemimmanentes Ergebnis der Lagerunterbringung von Flüchtlingen ein. Das Lagersystem schafft ein großes Machtgefälle zwischen Personal und BewohnerInnen und ermöglicht die sexuelle Ausbeutung und rassistische Unterdrückung. Ob es zu solchen Diskriminierungen und Übergriffen kommt, hängt ausschließlich von der moralischen Einstellung des Personals ab. Der Bayerische Flüchtlingsrat fordert u.a. deshalb die Abschaffung aller Flüchtlingslager in Bayern. „Bis dahin hoffen darauf, dass das Personal in den Bayerischen Flüchtlingslagern aus diesem Prozess lernt und in Zukunft dem Machtmissbrauch Grenzen gesetzt sind“, kommentiert Simone Fischer, Sprecherin des Bayerischen Flüchtlingsrats, den Prozess.

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