21.01.2003
Unwort des Jahres 2002
"Ausreisezentrum" hinter "Ich-AG" auf Platz zwei
Am heutigen Dienstag, den 21. Januar 2003 gab Prof. Dr. Horst Dieter Schlosser die Wahl der Jury zum Unwort des Jahres bekannt. Den zweiten Platz nimmt der Begriff ‚Ausreisezentrum' ein, der im Behördenjargon Sammellager bezeichnet, aus denen abgewiesene AsylbewerberInnen abgeschoben werden: "Dieses Wort soll offenbar Vorstellungen von freiwilliger Auswanderung oder gar Urlaubsreisen wecken. Es verdeckt damit auf zynische Weise einen Sachverhalt, der den Behörden wohl immer noch peinlich ist. Sonst hätte man eine ehrlichere Benennung gewählt" (s. Pressemitteilung der Jury).
Mit den in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Bayern existierenden ‚Ausreisezentren' sollen Flüchtlinge, die nicht abgeschoben werden können, zur "freiwilligen" Ausreise gezwungen werden. Deshalb setzen sie auf ein vielfältiges Bündel freiheitsbeschränkender Maßnahmen, darunter die Beschränkung der Bewegungsfreiheit der Insassen auf das Stadtgebiet, Leben hinter Gittern, regelmäßige Verhöre, Bewachung durch private Sicherheitsdienste, Botschaftsvorführungen, Entzug des Taschengeldes von monatlich 40 Euro nach Asylbewerberleistungsgesetz, striktes Arbeitsverbot, tägliche Ausgabe der Lebensmittelpakete zur Sicherstellung der regelmäßigen Anwesenheit, Zimmerdurchsuchungen, Meldepflichten und Anwesenheitskontrollen.
Die Wahl des Begriffs ‚Ausreisezentrum' zu einem der Unworte des Jahres 2002 macht das Scheitern der Strategie der verantwortlichen Innenminister deutlich, der Öffentlichkeit vorzugaukeln, diese menschenunwürdigen und menschenrechtswidrigen Abschiebelager hätten etwas mit den Reisezentren der Bahn zu tun.
Alexander Thal von res publica: "Es war von Anfang an unser Ziel, den Euphemismus ‚Ausreisezentren' zu entzaubern. Daß wir dabei von der ‚Unwort-Jury' unerwartete Unterstützung erhalten, stimmt uns hoffnungsvoll. Scheinbar lassen sich die Menschen in Deutschland doch nicht so einfach von bewußten Täuschungsversuchen der Innenministerien blenden, selbst wenn dieser noch so gut eingefädelt ist."