07.11.2016
Und sie bleiben
Die bayerische Regierung schürt Verzweiflung unter Flüchtlingen
Was Flüchtlinge suchen, ist eine Perspektive für sich und ihre Familien. Dabei bekommen nicht alle Asyl oder Schutz. Das hat auch mit dem kontinuierlichen Abbau von Rechten, dem Mangel an Information und Vorbereitung auf die Anhörung zu tun. So steigt die Zahl der nur geduldeten Flüchtlinge stetig; mehr als 200.000 nicht anerkannte Flüchtlinge leben in Deutschland, Tendenz steigend.
Das vor allem von Bayern propagierte Rezept darauf ist Abschiebung. Abschiebung auch in Kriegsländer wie Afghanistan oder Ukraine, Abschiebung auch von kranken oder behinderten Menschen, die keine Behandlung oder Fürsorge in ihren Herkunftsländern erwarten können. Abschiebung ist das neue Mantra der Flüchtlingspolitik. Dabei fehlt es aber an Vorstellungen und Ideen, was die Abgeschobenen nach der Ankunft in ihren Herkunftsländern machen sollen und wie es ihnen ergeht. Abschiebung ist deshalb alles andere als eine nachhaltige Politik, sie ist eher ein Abwehrreflex.
Doch was passiert mit denen, die nicht abgeschoben werden können? Wenn der Pass nicht vorliegt oder das Herkunftsland Abgeschobene einfach nicht zurücknehmen will, bricht sich das Abschiebungsmantra und wird zur Abschreckungs- und Ausgrenzungspraxis. Geduldeten wird kein Geld mehr ausbezahlt, und vor allem werden sie Arbeits- und Ausbildungsverboten unterworfen. So soll ihnen jede Perspektive in Bayern verbaut werden. Aber was sind die Effekte dieser Abschreckung?
Flüchtlinge werden über Jahre in Lagern festgesetzt, sie müssen dort teuer versorgt werden. Einige arbeiten schwarz, tauchen unter, wandern illegal in andere EU-Länder weiter. Einige wenige kehren zurück in ihre Herkunftsländer. Sehr viele aber sitzen lange untätig in Lagern, hören auf, sich eine Arbeit zu suchen, die ihnen doch nicht genehmigt wird. Sie werden krank, apathisch, depressiv. Und sie bleiben. Wenn ihnen nichts mehr bleibt, treten sie auch in Hungerstreik. Viele der Senegalesen, die auf dem Sendlinger-Tor-Platz ausharrten, sind das Ergebnis bayerischer Ausgrenzungspolitik. Sie unterliegen zum Teil schon seit mehr als einem Jahr striktem Arbeits- und Ausbildungsverbot, obwohl viele von ihnen eine Arbeit oder Lehrstelle hatten.
Dies sind die Resultate einer nicht nur menschenrechtswidrigen, sondern auch kurzsichtigen Migrationspolitik. Während gleichzeitig 5.000 Lehrstellen in Bayern nicht besetzt werden können, werden die Hoffnungen junger Menschen auf Arbeit oder Ausbildung, auf Teilhabe an dieser Gesellschaft, systematisch zerstört.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Politik wieder dazu zurückkehrt, diesen Langzeitgeduldeten Perspektiven zu eröffnen. Einfach weil sie da sind und da bleiben werden. Aber wahrscheinlich wird das erst geschehen, wenn die Wahlen für Bundestag und bayerischen Landtag vorbei sind. Dann sind die meisten der Flüchtlinge immer noch da, ihre Zahl wird sogar gewachsen sein. Und ihre Motivation, die von Handwerksbetrieben hoch gelobt wird, wird dann einer Apathie und teilweise auch Wut gewichen sein, die es schwierig machen wird, die Flüchtlinge in Arbeit und Gesellschaft zu integrieren.
Die bayerische Regierung schafft sich hier unnötig Probleme. Und sie kann nicht sagen, dass sie dies nicht gewusst hätte. Vor zehn Jahren stand Deutschland vor der gleichen Situation. Die Arbeitsmarktöffnung für Geduldete, die daraufhin in Gang gesetzt wurde, war der Einsicht geschuldet, dass, wer hier bleibt, auch Perspektiven haben muss. Dies wurde nun in Bayern wieder rückgängig gemacht. Die bayerische Regierung produziert damit nicht nur die verzweifelten Hungerstreikenden, sondern auch die Verzweifelten, die stumm in den Flüchtlingslagern sitzen und nur auf eines warten – eine Möglichkeit der Teilhabe an dieser Gesellschaft.
Wenn nun das Protestcamp am Sendlinger Tor Platz in München geräumt ist, dann ist das alles andere als ein Erfolg der Politik. Es ist eine Niederlage der Humanität und Zeichen einer billigen Politik, die uns teuer zu stehen kommen wird.