06.07.2017

Transitzentren: Bayern setzt in der Flüchtlingspolitik massiv auf Isolation

Freistaat will Flüchtlinge aus Herkunftsländern mit weniger als 50 % Anerkennungsquote in Sonderlagern unterbringen / Flüchtlingsrat: „Menschenunwürdige Ein- und Ausreiselager sofort schließen!“


Bayern hat die „Aufnahme- und Rückführungseinrichtung“ (ARE) in Manching, sowie die Erstaufnahmeeinrichtung in Regensburg in sogenannte Transitzentren umgewandelt, die Erstaufnahmeeinrichtung in Deggendorf folgt in einem Monat. Transitzentren sind kombinierte Ein- und Ausreiselager, in denen eine große Zahl von Flüchtlingen von der Einreise bis zur Entscheidung des BAMF und im Fall der Ablehnung bis zur Ausreise kaserniert werden. Um alle Flüchtlinge so lange festhalten zu können, ohne gegen Bundesgesetze zu verstoßen, sind in Transitzentren die Funktionen von Erstaufnahmeeinrichtungen, besonderen Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften und Ausreiseeinrichtungen vereint.

Betroffen von der Kasernierung in Transitzentren sind Flüchtlinge aus Herkunftsländern mit einer Anerkennungsquote unter 50 %. Ihnen wird aufgrund der Prozentzahl eine schlechte Bleibeperspektive unterstellt. Weiteres Kriterium ist eine „relevante Masse“ von Flüchtlingen aus einem Herkunftsland, damit sich die Abschreckung auch lohnt. Nach aktuellem Stand sind das Flüchtlinge aus den sicheren Herkunftsländern (Serbien, Bosnien, Mazedonien, Montenegro, Kosovo, Albanien, Senegal und Ghana), aber auch Ukraine, Georgien, Äthiopien, Nigeria, Sierra Leone, Mali, Aserbaidschan und besonders Afghanistan.

In den Transitzentren, die eine Weiterentwicklung der bisherigen ARE sind, herrschen für die gesamte Aufenthaltsdauer Residenzpflicht auf Stadt oder Landkreis, Arbeits- und Ausbildungsverbote und striktes Sachleistungsprinzip. Die medizinische Versorgung ist eingeschränkt, Kinder dürfen nur die Lagerschulen besuchen, die vorschulische Bildung in Kindergärten ist überhaupt nicht vorgesehen. Eigene Integrationsleistungen sollen umfassend verhindert werden, dagegen sollen die Betroffenen durch besonders schäbige Behandlung zur sogenannten „freiwilligen“ Ausreise gedrängt werden.

Die Erfahrungen mit den AREn in Manching/Ingolstadt und Bamberg zeigen, dass in diesen Zentren massive Verstöße gegen Flüchtlings- und Grundrechte an der Tagesordnung sind. Der Zugang zur Beratung ist vor der Anhörung oft unmöglich, das Recht der Flüchtlinge auf Information wird generell missachtet. Ein Anwalt ist häufig nicht (rechtzeitig) zu finden, da die Asylverfahren maximal beschleunigt werden sollen. Weil die Insassen der Lager ab der Ablehnung ihres Asylantrags durch das BAMF meist kein Bargeld mehr bekommen, ist ein Anwalt dann auch nicht zu finanzieren, der gegen die Ablehnung klagen könnte. Gesundheitliche Beeinträchtigungen, die eine Rolle für das Asylverfahren spielen, können aus Zeitmangel oder Kostengründen nicht begutachtet werden. Ehrenamtlichen wird der Zugang zu diesen Lagern erschwert, ihre Handlungsmöglichkeiten werden so eingeschränkt, dass viele vergrault werden.

Beim Konzept ARE geht es hauptsächlich um die Produktion von Ausreise- und Abschiebezahlen, wobei die humanitären Problematiken, die wir seit der Eröffnung im Jahr 2015 beobachten und dokumentieren, sehenden Auges in Kauf genommen werden“, erklärt Katrin Rackerseder, Mitarbeiterin des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Das ist besonders skrupellos!

Bayern schaltet in der Flüchtlingspolitik voll in den Abschreckungsmodus. Dabei ignoriert die bayerische Staatsregierung, dass es sich um Flüchtlinge, um Schutzsuchende und Schutzbedürftige handelt. Stattdessen werden Neuankömmlinge mit einem Strauß an Schäbigkeiten und Gesetzwidrigkeiten begrüßt, um sie schnellstmöglich zu vergraulen. Bayern will damit jeder Form der Solidarisierung der Bevölkerung mit Flüchtlingen das Wasser abgraben“, kritisiert Stephan Dünnwald, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats.

In den Ankunfts- und Rückführungseinrichtungen in Manching und Bamberg wurde eine Behördenpraxis eingeübt, um möglichst viele Flüchtlinge in möglichst schneller Zeit abzulehnen und abzuschieben. Das wurde auf dem Rücken von Flüchtlingen aus den Balkan-Ländern und später der Ukraine perfektioniert. Jetzt wird dieses menschenfeindliche System auf viele weitere Flüchtlingsgruppen ausgeweitet“, erklärt Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Wir fordern die bayerische Staatsregierung auf, diese menschenverachtenden Transitzentren umgehend zu schließen, allen Flüchtlingen ein ordentliches Asylverfahren zu gewähren und sie wie Menschen zu behandeln!

Zurück