01.10.2010
Tag des Flüchtlings 2010: Mit Diskriminierung macht man keinen Staat
Bayerischer Flüchtlingsrat und PRO ASYL fordern Abschaffung diskriminierender Sondergesetze
Heute wird unter dem Motto „Mit Diskriminierung macht man keinen Staat“ bundesweit der Tag des Flüchtlings begangen. PRO ASYL und der Bayerische Flüchtlingsrat weisen an diesem Tag auf die unhaltbaren sozialen Lebensbedingungen von Flüchtlingen in Deutschland hin.
PRO ASYL und der Bayerische Flüchtlingsrat fordern die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG). Während die Wellen in der „Hartz-IV“-Debatte hochschlagen, bleibt die Menschenwürde von Flüchtlingen in der öffentlichen Diskussion ausgeblendet. Dabei leben 80.000 Menschen in AsylbLG-Bezug derzeit von weniger als zwei Drittel der neuen Hartz-IV-Sätze: So erhält ein Haushaltsvorstand nach AsylbLG 224,97 Euro – das sind 61,8% des Existenzminimums nach „Hartz-IV“ (364 Euro). Für ein sechsjähriges Kind ist die Diskrepanz am größten: Mit 133 Euro hat es Anspruch auf nur 53% des Regelsatzes eines gleichaltrigen Kindes nach Hartz-IV – und auch die zusätzlichen Leistungen des „Bildungspakets“ der Bundesregierung sind nicht für Flüchtlingskinder gedacht. (Tabelle siehe Anhang).
Zeigt die Bundesregierung gegenüber Hartz-IV-Empfängern soziale Kälte, so bekommen Flüchtlinge die soziale Eiszeit zu spüren. Auch das Landessozialgericht NRW sieht die Leistungen des AsylbLG als „evident zu niedrig“ und damit verfassungswidrig an. Es hatte deshalb im Juli 2010 das AsylbLG dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt. PRO ASYL und der Bayerische Flüchtlingsrat fordern die Bundesregierung auf: „Warten Sie nicht auf eine neue Verfassungsrüge, sondern schaffen sie das AsylbLG selbst ab und setzen Sie der Flüchtlingsdiskriminierung endlich ein Ende!“.
Viele der Ausgegrenzten leben seit vielen Jahren hier. Voraussetzung für Integration ist Rechtssicherheit, die jedoch vielen geduldeten Flüchtlingen nach wie vor vorenthalten wird. Längst überfällig ist eine umfassende Bleiberechtsregelung für langjährig Geduldete, die ihrer durch jahrelange Ausgrenzung erschwerten Situation Rechnung trägt. Es ist widersinnig, Asylsuchende und Geduldete über Jahre vom Arbeitsmarkt zwangsweise fernzuhalten, und dann überhöhte Anforderungen an die selbständige Lebensunterhaltssicherung zu stellen. Eine großzügige Regelung, die langjährig hier Lebende als Teil der Gesellschaft anerkennt, ist dringend erforderlich.
Am Tag des Flüchtlings finden an vielen Orten Veranstaltungen statt, die die diskriminierenden Sonderregelungen gegen Flüchtlinge insgesamt thematisieren: Für mindestens ein Jahr ist Asylsuchenden die Arbeitsaufnahme verboten, und auch danach verwehren die arbeitsrechtlichen Beschränkungen Flüchtlingen oft, das Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Weitere Bausteine der Ausgrenzung sind die Sammellager, in denen Flüchtlings vielerorts abseits der Städte untergebracht und isoliert leben müssen. Zwangsweise mit Lebensmittelpaketen oder Gutscheinen versorgt, durch die Residenzpflicht bei Strafandrohung auf ein kleines Territorium verwiesen, von Integrationskursen ausgeschlossen, mangels Geldmittel daran gehindert, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, werden Flüchtlinge in Deutschland vielfach gedemütigt und entmündigt. Diese Abschreckungs- und Ausgrenzungspolitik, die Produkt einer flüchtlingsfeindlichen Politik seit den 1980er Jahren ist, muss endlich beendet werden.