03.09.2013
„Stell Dir vor, es ist Demo, und keiner darf hin!“
Innenminister Joachim Herrmann versucht mit aller Gewalt, die Proteste der Flüchtlinge in Bayern zu unterdrücken / Er nimmt dafür sogar den Bruch der Grund- und Menschenrechte in Kauf
Der Bayerische Flüchtlingsrat zeigt sich entsetzt über den Umgang von Innenminister Joachim Herrmann und der bayerischen Polizei mit dem „Protestmarsch für Freiheit“, mit dem Flüchtlinge aus ganz Bayern ihren Protest gegen die Residenzpflicht nach München tragen. Nach der Auflösung des ersten Protestzugs in Freising am Sonntag wurde gestern abend der zweite Protestzug an der Münchner Stadtgrenze von der Polizei aufgelöst. 150 Beamte, die Mehrheit vom USK, kesselte den Zug auf einer Brücke über den Autobahnring ein und unterzog alle 40 Flüchtlinge und ihre UnterstützerInnen einer Identitätsprüfung. Erneut kam es zu massiver Gewaltanwendung seitens der Polizeikräfte. Die Mehrheit der Protestierenden wurde danach in die Ettstraße gebracht, die Flüchtlinge, denen Verstöße gegen die Residenzpflicht vorgeworfen werden, wurden oder werden noch in ihre Flüchtlingslager zurückgebracht.
Die Residenzpflicht für Flüchtlinge in Deutschland ist einmalig in ganz Europa. Alle Bundesländer haben die Beschränkung der Bewegungsfreiheit auf den Landkreis auf das gesamte Landesgebiet ausgeweitet, nur nicht Bayern und Sachsen. Obwohl das bayerische Innenministerium auf der Grundlage der geltenden Bundesgesetze die Residenzpflicht auf das Gebiet des Freistaats anordnen könnte, hält Herrmann stur an der Residenzpflicht fest.
Nach einer Weisung des Innenministeriums an die Ausländerbehörden dürfen keine Befreiungen von der Residenzpflicht für die Teilnahme an dem Protestmarsch erteilt werden. Herrmann lässt über seinen Sprecher ausrichten, die Flüchtlinge könnten ja in ihren Regierungsbezirken protestieren. Über die generelle Aufhebung der Residenzpflicht innerhalb Bayerns wird jedoch nicht in Würzburg, Ansbach oder Landshut entschieden. Deshalb ist es absolut nachvollziehbar, dass die Flüchtlinge ihren Protest gegen die Residenzpflicht nach München tragen, dafür gegen diese unsinnige Regelung verstoßen und Geldstrafen oder Gefängnis bis zu einem Jahr in Kauf nehmen. Selbst wenn die Polizei sie in ihre Sammellager zurückbringt, kommen sie wieder zu den Protesten zurück und lassen sich nicht einschüchtern.
Die Praxis der Polizei ist auch nicht mit den Grund- und Menschenrechten auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Grundgesetz und Art. 10 Europäische Menschenrechtskonvention) und Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG und Art. 11 EMRK) in Einklang zu bringen. Danach dürfen sich alle Personen frei versammeln und gemeinsam ihre Meinung kundtun.
„Der Bayerische Innenminister setzt alles daran, die Proteste der Flüchtlinge zu unterdrücken, getreu dem Motto: Stell Dir vor, es ist Demo, und keiner darf hin“, kritisiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Herrmann muss endlich einsehen, dass Flüchtlinge das Recht auf Protest gegen seine Ausgrenzungs- und Abschreckungspolitik haben. Die Proteste öffentlichkeitswirksam unterdrücken zu lassen, mag seinem Wahlkampf als Hardliner für Recht und Ordnung geschuldet sein. Damit verstößt er jedoch gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, die heute ihren 60. Geburtstag feiert und auch in Bayern verbindlich gilt!“
Sämtliche Informationen zu den Protestmärschen und direkten Kontakt zu den Beteiligten finden Sie unter:
http://refugeestruggle.org/