17.08.2015

Sozialleistungskürzungen für Flüchtlinge sind verfassungswidrig

Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann fordern Kürzung der Sozialleistungen für Flüchtlinge / Flüchtlingsrat: Verfassungsschutzminister rufen offen zum Verfassungsbruch auf


Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in einem bahnbrechenden Urteil vom Juli 2012 zum Asylbewerberleistungsgesetz entschieden, dass alle Menschen in Deutschland einen „verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum“ haben. Dieses Existenzminimum ist für alle Menschen gleich, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, stellte das BVerfG fest. Es darf aus migrationspolitischen Gründen, z.B. zur Abwehr von Flüchtlingen nicht abgesenkt werden. Vor drei Jahren erklärte damit das BVerfG die niedrigeren Sozialleistungen für Flüchtlinge für verfassungswidrig und beendete damit einen menschenunwürdigen Zustand, eine Abschreckungsmaßnahme der frühen 1990er Jahre – damals beschlossen, um Flüchtlinge von ihrer Flucht nach Deutschland abzuhalten.

Nach der Neuregelung des Asylbewerberleistungsgesetzes, mit dem das BVerfG-Urteil umgesetzt wurde, haben Flüchtlinge Anspruch auf das „physische Existenzminimum“, das derzeit je nach Alter und Familienstand des Leistungsberechtigten zwischen 133 Euro und 216 Euro liegt und auch als Sachleistung gewährt werden kann. Dies geschieht heute noch immer in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Zudem haben Flüchtlinge Anspruch auf ein „soziokulturelles Existenzminimum“, das laut BVerfG bar ausbezahlt werden muss. Es beträgt derzeit zwischen 84 Euro und 143 Euro. Sind Flüchtlinge nicht mehr in der Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht, bekommen sie auch das physische Existenzminimum bar ausbezahlt. Klar ist dabei: Flüchtlinge haben einen verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf beide Teile des Existenzminimums.

Davon völlig unbeeindruckt packen die Innenminister des Bundes, Thomas de Maizière, und des Freistaats Bayern, Joachim Herrmann, wieder die Abschreckungskeule der 90er Jahre aus. Sie wollen die Sozialleistungen für Flüchtlinge in verfassungswidriger Weise erneut kürzen, um Flüchtlinge abzuschrecken.

Die Forderung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière und von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, die Sozialleistungen für Flüchtlinge zu kürzen, ist schlicht verfassungswidrig“, kritisiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Die Innenminister sind für den Schutz der Verfassung zuständig und rufen offen zu ihrem Bruch auf. Ist der Verfassungsschutz inzwischen Aufgabe von Verfassungsfeinden?

Zurück