29.11.2011

„Sheriff Gnadenlos muss weg!“

Flüchtlinge berichteten über die ihre leidvollen Erfahrungen mit der Ausländerbehörde Erlangen / Mitarbeiter Armin M. ist beim Ausländeramt fehl am Platz

 


Bei der heutigen Pressekonferenz in den Räumen der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Erlangen berichteten Flüchtlinge über ihre leidvollen Erfahrungen mit Armin M., einem Mitarbeiter der Erlanger Ausländerbehörde.

Amina F. (26) wurde in ihrer Jugend in Aserbaidschan sexuell missbraucht. Sie ist traumatisiert, schwer psychisch krank und suizidgefährdet. Zusammen mit ihrem Anwalt, ihren beiden gesetzlichen Betreuerinnen und ihrer Beraterin vom Internationalen Frauencafé in Nürnberg beantragte sie beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Wiederaufnahme ihres Asylverfahrens aus gesundheitlichen Gründen. Hr. M. behinderte dies massiv, indem er ihr die Reiseerlaubnis zum Behandlungszentrum für Folteropfer exilio in Lindau verweigerte, wo ein ausführliches Fachgutachten über ihre Traumatisierung erstellt werden sollte. Stattdessen beschuldigte Hr. M. Amina F. als notorische Straftäterin: Weil ihr vor einigen Jahren das Taschengeld komplett gestrichen war, hatte sie einmal Babynahrung und einmal Zigaretten geklaut. Zudem ist sie nach einer ersten Abschiebung wieder eingereist. Die daraus resultierenden Vorstrafen reichten ihm für eine Ausweisung als Gefährderin der öffentlichen Sicherheit. Mittlerweile wurden durch das BAMF dennoch Abschiebeverbote festgestellt.

Ali H. (45) wurde als Asylbewerber aus dem Iran in seinem ersten Asylverfahren abgelehnt. Hr. M. setzte damals alles daran, die festgestellte Ausreisepflicht durchzusetzen, sogar vor Tricks und Täuschungen machte er nicht Halt. Als Hr. H. an einem Freitag bei der Ausländerbehörde eine Reiseerlaubnis beantragte, um beim zuständigen BAMF einen Asylfolgeantrag zu stellen, erhielt er von Hr. M. die Auskunft, er solle am Montag morgen vorbeikommen, dann würde er ihm die Reiseerlaubnis erteilen. Doch entgegen dieser Zusage erschienen bereits Sonntagnacht um 2 Uhr 12 Polizeibeamte bei Hr. H. zu Hause und nahmen ihn in Abschiebehaft. Die gesetzlich vorgeschriebene persönliche Stellung eines Asylfolgeantrags war damit unmöglich. Hr. H. wurde nach seiner Ankunft in Teheran sofort inhaftiert und gefoltert. Es gelang ihm erneut, den Iran zu verlassen, und stellte einen neuen Asylantrag in Deutschland. Trotz aller Widerstände von Hr. M. ist er inzwischen als Flüchtling anerkannt.

Florim Berisha (37) floh mit seiner Familie aus dem Kosovo, reiste über die Slowakei in die EU ein und stellte in Deutschland einen Asylantrag. Nach der Dublin II-Verordnung, die die Zuständigkeiten für Asylverfahren innerhalb der EU regelt, hätte die Familie den Asylantrag jedoch in der Slowakei stellen müssen. Das BAMF nahm deshalb mit den slowakischen Behörden Kontakt auf und regelte die Abschiebungsmodalitäten für die gesamte Familie. Diese „Rücküberstellung“ war 18 Monate lang, bis zum 13 Juli 2011, möglich, danach wäre die Zuständigkeit für den Asylantrag an Deutschland übergegangen. Das BAMF beauftragte die Ausländerbehörde in Erlangen mit der Rücküberstellung von Familie Berisha in die Slowakei. In der Nacht vom 12. auf den 13. Juli 2011 drangen Hr. M. und mehrere Polizeibeamte in das Erlanger Flüchtlingslager ein, um die Familie zur Abschiebung abzuholen. Doch der Ehemann befand sich nicht dort, er war auf Besuch bei einem Verwandten. Hr. M. schob Hr. Berishas Ehefrau, Hysnie Bahtiri (30), und ihre gemeinsamen Kinder Avdyl (14), Armand (6) und Amin (9 Monate) am letzten Tag der Rücküberstellungsfrist alleine in die Slowakei ab, Hr. Berisha blieb in Deutschland zurück. Jetzt ist die Familie getrennt. Die Slowakei weigert sich, Hr. Berisha aufzunehmen, da Deutschland für die Durchführung seines Asylverfahrens zuständig ist. Das BAMF weigert sich ebenfalls, Frau Berisha und die Kinder zurückzunehmen. „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“ hält das Grundgesetz in Artikel 6 fest. Doch das interessierte Hr. M. nicht. Anstatt die Abschiebung abzubrechen und dem Grundgesetz Geltung zu verschaffen, gab er mal wieder den „Sheriff Gnadenlos“ und setzte die Ausreisepflicht gewaltsam durch.

Der Wahlspruch der Stadt Erlangen lautet „Offen aus Tradition“. Doch Hr. M. scheint es sich zum persönlichen Auftrag gemacht zu haben, diesen Slogan zu hintertreiben. Mit allen Mitteln versucht er, Flüchtlinge aus Erlangen abzuschieben. Koste es, was es wolle.

Armin M. trifft Ermessensentscheidungen am äußersten rechten Rand und arbeitet mit allen Tricks, um Flüchtlinge an der Wahrung ihrer Interessen zu hindern. In seiner persönlichen Abschreckungsmission schreckt er selbst vor der Trennung einer ganzen Familie nicht zurück. Dieser Sheriff Gnadenlos ist für die Arbeit mit Menschen ungeeignet und untragbar für eine Ausländerbehörde“, kritisiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats.

Die Vorgänge in der Ausländerbehörde unserer Stadt sind uns schon länger bekannt“, stellt José Luis Ortega Lleras, Vorsitzender des Ausländer- und Integrationsbeirats der Stadt Erlangen, fest. „Unsere bisherigen Interventionen haben jedoch nicht dazu geführt, dass sich daran etwas geändert hat“.

Dr. Michael Schöttler von amnesty international ergänzt: „Wir fürchten, dass das Verhalten von Armin M. nicht nur persönlich motiviert ist, sondern auch von seinen Vorgesetzten gedeckt wird. Sonst hätte er niemals so lange frei schalten und walten können.

Wir werden das Thema nicht im Sande verlaufen lassen“, kündigt Natalie Walther von Flunterl an. „Am 02.12.2011 von 15 bis 17 Uhr wird es dazu am Hugenottenplatz ein Straßentheater mit Infostand geben“.


Der Ausländer- und Integrationsbeirat der Stadt Erlangen, amnesty international (Ortsgruppe Erlangen), der Bayerische Flüchtlingsrat, das Internationale Frauencafé Nürnberg, Flunterl und EFIE e.V. fordern die Stadt Erlangen gemeinsam dazu auf,

  • Hr. M. nicht mehr in der Ausländerbehörde einzusetzen,
  • die von ihm bearbeiteten Fälle von unabhängigen ExpertInnen überprüfen zu lassen,
  • dafür zu sorgen, dass sich solches Fehlverhalten nicht mehr wiederholt und
  • sich beim BAMF dafür einzusetzen, dass die von Hr. M. herbeigeführte Familientrennung rückgängig gemacht wird und Frau Bahtiri und die Kinder Avdyl, Armand und Amin wieder nach Deutschland zurückkehren dürfen.

Gemeinsame Pressemitteilung von:
Ausländer- und Integrationsbeirat der Stadt Erlangen | amnesty international, Ortsgruppe Erlangen | Bayerischer Flüchtlingsrat | Internationales Frauencafé Nürnberg | Flunterl – Flüchtlingsunterstützung Erlangen | EFIE e.V. – Ehrenamtliche Flüchtlingsbetreuung Erlangen

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