06.08.2018

Seehofers große Angst vor der Integration

Seehofer fordert mehr Unterstützung für ANKER-Zentren / Bayerischer Flüchtlingsrat fordert mehr Qualität der Asylverfahren, Anerkennung von Integration und mehr Realitätssinn


Am 01.08.2018 wurden die ANKER-Zentren in Bayern offiziell „in Betrieb“ genommen. Bundesinnenminister Horst Seehofer hat gestern im ZDF-Sommerinterview Unterstützung durch die anderen Bundesländer bei der Einrichtung solcher Sammellager gefordert. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles müssten ebenfalls Druck machen, damit die anderen Bundesländer ihren Widerstand gegen ANKER-Zentren aufgeben.

Gleichzeitig verbreitet Seehofer erneut die Mär, in ANKER-Zentren wären erstmals alle mit Flüchtlingen befassten Behörden an einem Ort versammelt, was die Asylverfahren beschleunigen würde. Doch daran ist nichts neues: Wie ein Blick in nahezu jede Erstaufnahmeeinrichtung in Deutschland zeigt, ist dort nicht nur das BAMF vertreten, sondern in der Regel alle notwendigen Behörden, von der Ausländerbehörde bis zum Sozialamt, vom Gesundheitsamt bis zur Außenstelle des zuständigen Verwaltungsgerichts. Auch die Unterbringung von Flüchtlingen in großen Sammellagern am Standort der Behörden beschleunigt nichts. Deshalb erklären auch die bayerischen Behördenvertreter*innen folgerichtig, die Umbenennung ihrer Erstaufnahmeeinrichtungen oder Transitzentren in ANKER-Zentren werde bei ihnen nichts ändern.

Tatsächlich verlängern die ANKER-Zentren nach bayerischem Modell hauptsächlich die Aufenthaltsdauern der dort untergebrachten Flüchtlinge. Da ANKER-Zentren nirgendwo gesetzlich verankert sind, gelten die Rahmenbedingungen für die verschiedenen Unterkunftsformen: Sie sind Aufnahmeeinrichtung für alle neu ankommenden Flüchtlinge (§47 Abs. 1 AsylG), deren Unterbringungsdauer auf 24 Monate beschränkt ist (§47 Abs. 1b AsylG). Sie sind besondere Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern, die dort bis zur Abschiebung oder Ausreise untergebracht werden (§47 Abs 1a AsylG). Sie sind gleichzeitig Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge, die sich bereits länger als 24 Monate in Deutschland aufhalten (§ 53 AsylG), und sie sind Ausreiseeinrichtung für Ausreisepflichtige, die zur Ausreise gezwungen werden sollen (§ 61 Abs. 2 AufenthG). Lediglich wer vom BAMF anerkannt wird, oder sich seinen Aufenthalt vor Gericht erstreitet, darf die ANKER-Zentren verlassen. Alle anderen können ohne zeitliche Obergrenze bis zur erhofften Ausreise oder Abschiebung festgehalten werden.

Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisiert, dass die langen Verfahrensdauern aus der mangelnden Qualität der Asylentscheidungen resultieren. Ein großer Teil der vom BAMF abgelehnten Flüchtlinge klagt gegen diese Entscheidung, 40 % von ihnen gewinnen vor Gericht, bei Afghan*innen sind es sogar 60 %. Diese Gerichtsverfahren dauern im Moment aufgrund der hohen Belastung der Verwaltungsgerichte sehr lang. Dem entgegen wird eine unrealistische Vision rechter Politik institutionalisiert. Die Vision lautet: „Wenn wir den Flüchtlingen nicht erlauben, sich hier zu integrieren, werden wir sie leichter wieder los.“

ANKER-Zentren beschleunigen nichts, dienen ausschließlich der Ausgrenzung von Flüchtlingen und sollen jegliche Integration verhindern. Die anderen Bundesländer tun gut daran, gegen diese Art der Behandlung von Flüchtlingen Widerstand zu leisten“, konstatiert Jana Weidhaase vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Flüchtlinge werden weiterhin in Deutschland um Asyl bitten, solange es das Grundrecht auf Asyl gibt, solange es Kriege, Umweltzerstörung, Verteilungsungerechtigkeit und ein starkes Gefälle zwischen dem globalen Norden und Süden gibt. Und diese Menschen werden sich hier integrieren, arbeiten und deutsch lernen. Dies sollte honoriert statt verhindert werden.

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