15.05.2003

Schliesst das Ausreiselager in Fürth!

Bayerischer Flüchtlingsrat und res publica fordern die Schließung des bayerischen Ausreislagers Fürth

Das bayerische Ausreiselager Fürth, das seit September letzten Jahres in Betrieb ist, muss angesichts der Verletzungen der Menschenwürde, seines repressiven Charakters und seiner nachweislichen Erfolglosigkeit sofort geschlossen werden. Dies fordern der Bayerische Flüchtlingsrat und res publica in einer Pressekonferenz am heutigen Donnerstag.

„Entgegen den Verlautbarungen von Innenminister Günter Beckstein macht Bayern mit dem Fürther Ausreiselager die gleichen schlechten Erfahrungen wie andere Bundesländer mit ähnlichen Einrichtungen. Ein großer Teil der Eingewiesenen taucht in die Illegalität ab, diejenigen, die sich im Ausreiselager einfinden, zeigen bald Lagersymptome wie Aggressivität, Apathie oder gesteigerten Alkoholkonsum. Dies kann nicht das Ziel einer wie auch immer gearteten Ausländerpolitik sein,“ erklärten die Vertreter vom Bayerischen Flüchtlingsrat und res publica.

Im Ausreiselager Fürth sollen die Eingewiesenen, denen Verschleierung ihrer Identität und mangelnde Mitwirkung bei der Beschaffung von Reisepapieren unterstellt wird, durch verschiedene Maßnahmen zur Mitwirkung an ihrer Ausreise, wenn nötig per Abschiebung, gezwungen werden. Zu diesen Maßnahmen zählen Anwesenheitskontrollen, Taschengeldentzug und Befragungen und Verhöre durch Angestellte der Regierung von Mittelfranken. Die Abschottung des Lagers – Besuchsmöglichkeiten auch naher Angehöriger wird bürokratisch erschwert bis unmöglich gemacht – die informellen Kontrollen und Verhörladungen und die ständige Drohung gewaltsamer Abschiebung führen zu einer enormen psychischen Belastung der Insassen. Der zuständigen Regierung von Mittelfranken werfen der Bayerische Flüchtlingsrat und Res Publica vor, diese Situation zu verharmlosen. In den Schilderungen der Regierung werde nicht deutlich, dass entgegen anfänglich guter Vorsätze vor allem die repressiven Maßnahmen gegen die Insassen umgesetzt würden. Der Euphemismus, mit dem die Drangsalierung in Ausreiselagern regelmäßig seitens der Regierung beschönigt wird, ist zu Recht mit dem 2. Platz des Unworts des Jahres belegt worden.

Der massive Druck, mit dem in den letzten Wochen die Abschiebung eines Insassen, der sich auch in der Öffentlichkeit kritisch geäußert hatte, des russischen Deserteurs Dimitri Olenin, betrieben wurde, zeigt deutlich die Stoßrichtung des Lagers. Olenin war über Jahre hinweg vorgeworfen worden, er würde seine Identität verschleiern, und er war aus diesem Grund in Abschiebehaft und schließlich in das Ausreiselager Fürth eingewiesen worden. Tatsächlich hatte sich die russische Behörde jedoch geweigert, seine Identität und Staatsangehörigkeit zu bestätigen. Als die Identität Olenins durch das Konsulat schließlich bestätigt wurde, betrieb die Regierung von Mittelfranken mit allen Mitteln seine schnellstmögliche Abschiebung, statt einzugestehen, dass die Bestätigung von Olenins stets richtigen Identitätsangaben die Begründung der Einweisung nach Fürth widerlegt hatten.

Nachweislich sind unter den Personen, die nach Fürth eingewiesen worden sind, mehrere, denen keineswegs Identitätsverschleierung oder mangelnde Mitwirkung unterstellt werden kann. In mehreren Fällen weigern sich die Behörden des jeweiligen Herkunftslandes, die Betroffenen als Staatsbürger anzuerkennen, in wenigstens einem Fall hat das Verwaltungsgericht Ansbach bestätigt, dass es sich bei der Person um einen Staatenlosen handelt. „Die Regierung von Mittelfranken bleibt die Antwort schuldig, wohin diese Insassen des Fürther Ausreiselagers ausreisen sollen“, urteilen Bayerischer Flüchtlingsrat und res publica. Die Repressalien, denen die Insassen des Fürther Lagers ausgesetzt sind, treffen Unschuldige, wenn die fehlende Mitwirkung nicht den Flüchtlingen, sondern den Behörden ihrer Herkunftsländer anzulasten ist. Bislang wurden Klagen, die sich gegen die Einweisung von Flüchtlingen in das Fürther Ausreiselager richteten, vom Gericht mit dem Verweis auf das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Ausreisepflicht abgewiesen. Das öffentliche Interesse kann aber nicht darin liegen, Flüchtlinge zur Ausreise zwingen zu wollen, wenn sich der Herkunftsstaat nicht bereit findet, die Personen wieder aufzunehmen.

Regelmäßig berufen sich die Urteile des zuständigen Verwaltungsgerichts in Ansbach auch auf das Konzept der bayerischen „Ausreiseeinrichtung“ des bayerischen Innenministeriums. Der Bayerische Flüchtlingsrat und res publica fordern insbesondere die Gerichte dazu auf, sich ein Bild von der Realität des Ausreislagers zu machen und sich nicht in ihrem Urteil auf euphemistische Vorlagen zu stützen.
Seitens der Behörden (sowohl des Innenministeriums als auch der Regierung von Mittelfranken) wird der Begriff des „Lagers“ als Bezeichnung für das Fürther Ausreiselager vehement abgelehnt. Die Begründung: schließlich könnten die Insassen das Lager doch verlassen, es lägen keine haftähnlichen Bedingungen vor. Dem entgegnen der Bayerische Flüchtlingsrat und res publica, dass Lager nicht zwangsläufig mit Freiheitsentzug gleichzusetzen ist und trotzdem die Menschenwürde der Insassen mit Füßen treten kann. Repressalien wie Entzug der Privatsphäre, Entzug von Geldmitteln, regelmäßige Verhöre und Befragungen, Verlust oder Verbot von Beschäftigung, permanente Anwesenheitskontrollen und vieles mehr sind deutliche Indikatoren einer Lagersituation, die mit einer Entfaltung der Persönlichkeit und anderen Grundrechten nicht in Einklang zu bringen ist. Es ist keine gute gesellschaftliche Entwicklung, dass wir uns daran gewöhnt haben, die bewusst abschreckende Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden als Realität zu akzeptieren. Wir müssen die Gesellschaft wieder dafür empfänglich machen, dass Flüchtlinge Schutz und ein sicheres Leben suchen. Die Lagerunterbringung, die Abspeisung mit Duldungen und die aktive Verhinderung jedweder Integrationsanstrengung sind staatliche Maßnahmen, mit welchen die prinzipielle Schutzbedürftigkeit von Flüchtlingen verhöhnt wird.
Dies alles bekräftigt die Forderung von Bayerischem Flüchtlingsrat und res publica, das Ausreiselager Fürth zu schließen und die dort praktizierte menschenunwürdige und menschenrechtswidrige Behandlung von Flüchtlingen nicht zum Symbol bayerischer Migrationspolitik werden zu lassen.

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