12.03.2007
Scheinheiliges Bleiberecht zu hohem Preis
Kabinettskompromiss: Kaum Verbesserungen viele Verschärfungen im Zuwanderungsrecht
Die bisher träge und oft das Ziel hintertreibende Umsetzung durch die lokalen Ausländerbehörden verhindert, dass viele Anspruchsberechtigte eine Chance haben, innerhalb der Fristen die Bedingungen für einen Aufenthaltsstatus zu erfüllen, resümiert das Bleiberechtsbüro die bisherigen Erfahrungen mit dem Bleiberecht. Daran wird auch die jetzt beschlossene Einigung nichts ändern. Auch das neue Bleiberecht ist wieder nur ein einmaliger Gnadenakt, der aber zugleich mit massiven Verschärfungen in anderen Bereichen des Zuwanderungsrechts erkauft wird. Beides im Gesamtpaket wird eher neue Geduldete und Illegalisierte und noch mehr Abschiebungen zur Folge haben. Das Ziel, die Problematik der Kettenduldungen abzuschaffen, wird nicht mehr verfolgt. „Seit Jahren wird der Übergangsstatus Duldung als Aufenthaltsstatus mit jederzeitigem Kündigungsrecht missbraucht – damit muss endlich Schluss sein“, sagt Tobias Klaus.
Zwar bekommen die Menschen unter der neuen Regelung länger Zeit zur Arbeitssuche (bis 2009), die Grundprobleme bleiben jedoch bestehen: Durch die Stichtagsregelung bekommen nur diejenigen eine Chance, die bei Inkrafttreten des Bleiberechtsgesetzes 6 Jahre als Familie, bzw. 8 Jahre als Alleinstehende in der BRD sind. Für alle anderen heißt es: zu spät gekommen – auch wenn sie irgendwann 6 Jahre, 8 Jahre oder 10 Jahre hier sind. Das Problem ist dadurch nur vertagt; in ein paar Jahren ist werden wir die selbe Situation haben, wie Heute. „Wir fordern eine gesetzliche Lösung, die den Zustand der Duldung nach einer bestimmten Frist in eine Aufenthaltserlaubnis umwandelt. Nur so können auch später Eingereiste in einen Aufenthalt hineinwachsen“, sagt Tobias Klaus.
Gleichzeitig bleiben viele Menschen wegen Lappalien wie etwa Schwarzfahren oder Straftaten, die nur Ausländer begehen können ausgeschlossen. Wird ein Familienmitglied ausgeschlossen, ist in den meisten Bundesländern gleich die ganze Familie betroffen. „Wir sind gegen diese Doppelbestrafung. Sippenhaft sollte in Deutschland keinen Platz haben“, fordert das Biberechtsbüro.
Verschärfungen durch die Hintertür
Verdeckt durch die Diskussionen um ein Bleiberecht werden massive Verschärfungen im Zuwanderungsrecht eingeführt. Beim Ehegattennachzug müssen Deutschkenntnisse bald schon vor der Einreise nachgewiesen werden. Heiraten mit Menschen aus armen Ländern sind damit kaum noch möglich: In den meisten Staaten werden Deutschkurse, wenn es sie gibt, nur in den Hauptstädten oder in größeren Städten angeboten. Diese Regelung ist besonders absurd, da Nachziehende sowieso zu Integrations- und Deutschkursen verpflichtet werden.
Bei einer Heirat mit Deutschen soll nun auch der Lebensunterhalt des/der Deutschen gesichert sein, damit ein Aufenthalt gewährt wird. Das wird dazu führen, dass binationale Ehen durch Abschiebungen auseinandergerissen werden – oder gar nicht erst zustande kommen: War es früher möglich, dass der nichtdeutsche Ehepartner nach einer Heirat eine Arbeitserlaubnis bekommt und die bedürftige Familie aus der Sozialhilfe herausführen kann, muss er heute mit Abschiebung rechnen. „Der Schutz der Ehe soll nur noch für Privilegierte und deutsch-deutsche Ehen gelten“, empört sich Tobias Klaus „Verfassungsrechtlich ist dies höchst fragwürdig“.
Ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht an der eigenen Abschiebung wird zum Ausweisungsgrund. Für die Ausländerbehörden dient dies als Generalklausel: Sie können einem Großteil der Geduldeten jeden Aufenthaltstitel, der beispielsweise durch Heirat oder eine Altfallregelung entstehen kann, auf Dauer verweigern. Da mangelnde Mitwirkung nur schwammig definiert ist hängt ein echter Ausweisungsgrund, der jede Legalisierung des Duldungsstatus verbietet, von dem good-will einzelner SachbearbeiterInnen oder Ausländerbehörden ab.
Aus diesem Grund bleibt nur die nüchterne Feststellung übrig: Besser keine Bleiberechtsregelung, als diese!