20.07.2012

„Schämen Sie sich, Frau Haderthauer!“

Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer betreibt in BR-Interview Geschichtsklitterung und täuscht die Öffentlichkeit / Aufnahmegesetz und DV Asyl sofort außer Kraft setzen


Gestern gab Christine Haderthauer dem Bayerischen Rundfunk ein Interview in der Bayern 2 Radiowelt zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, welches das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) am Mittwoch für verfassungswidrig erklärte. Hierbei erklärte sie, dass der Bundesasylkompromiss und damit auch das AsylbLG unter Rot-Grün verabschiedet worden sei. Nun muss man der rot-grünen Koalition zu Recht vorhalten, ihre Regierungszeit von 1998 bis 2005 nicht zur Abschaffung des AsylbLG genutzt zu haben. Beschlossen hat das AsylbLG am 6.12.1992 allerdings die schwarz-gelbe Regierung unter Helmut Kohl, mit tatkräftiger Hilfe der SPD und des „blonden Fallbeils“ Edmund Stoiber, damals noch bayerischer Innenminister.

An Dreistigkeit kaum zu überbieten ist zudem Haderthauers Aussage, sie habe „schon immer völlig nachvollzogen“, dass die Leistungen des AsylbLG zu niedrig sind und nicht für ein menschenwürdiges Leben ausreichen. Noch in 2010 sprach sie Flüchtlingsprotesten gegen das AsylbLG jeglichen „objektiven Grund“ ab. Den Flüchtlingen, die in Hauzenberg, Breitenberg, Bogen, Regensburg, Aholfing, Passau, Denkendorf, Augsburg, Schwabmünchen, Böbrach, Wallersdorf und Mainburg die Annahme der Essenspakete verweigerten und zum Teil in Hungerstreik getreten waren, hatte Haderthauer damals entgegengeschleudert: „Wer mit den Leistungen in Deutschland nicht zufrieden ist, kann jederzeit zurück. Er bekommt dafür die größtmögliche Unterstützung seitens der bayerischen Staatsregierung“ (Passauer Neue Presse, 2.12.2010).

„Ich denke, es hat niemand in seiner Amtszeit soviel dafür getan, dass es Asylbewerbern in Bayern deutlich besser geht“, lobte sich Haderthauer zudem gestern selbst. Dass Bayern als eines der letzten Bundesländer Flüchtlinge mit Essenspaketen versorgt und sie zwingt, in Sammellagern zu leben, verschweigt Frau Haderthauer. Sollte ihr das Wohl von Flüchtlingen tatsächlich am Herzen liegen, müsste sie umgehend das bayerische Aufnahmegesetz (AufnG) und die Asyldurchführungsverordnung (DV Asyl) außer Kraft setzen, die die Umsetzung des Asylbewerberleistungsgesetzes zum Nachteil von Flüchtlingen in Bayern regeln. Das AufnG schreibt die strikte Lagerpflicht in Bayern vor, die DV Asyl hält ergänzend fest, dass die Lagerunterbringung „die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland“ fördern soll. Flüchtlinge durch menschenunwürdige Lebensbedingungen zur Ausreise zu nötigen, ist jedoch ein klarer migrationspolitischer Missbrauch einer Sozialleistung, den die RichterInnen gestern explizit untersagt haben: „Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren“.

„Christine Haderthauer sollte sich schämen“, kritisiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats, die bayerische Sozialministerin. „Anstatt die Öffentlichkeit zu täuschen und Flüchtlingsproteste zu verhöhnen, sollte sie besser das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ernst nehmen und die menschenunwürdige Lagerunterbringung in Bayern sofort beenden!“

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