13.08.2002

Rücksichtslose Umverteilung zur „freiwilligen“ Ausreise

Das bayerische Aufnahmegesetz, das seit 1. Juli 2002 in Kraft ist, ist ein Baustein rigider bayerischer Politik gegen Flüchtlinge. Das Aufnahmegesetz schreibt vor, dass die bisher von den Kommunen versorgten Flüchtlinge künftig vom Freistaat verwaltet, was zumeist eine gravierende Verschlechterung der Unterbringung, der Versorgung und vor allem der Betreuung der Flüchtlinge zur Folge hat. Von den mehr als 24.000 Personen, die in Bayern durch das Gesetz betroffenen sind, wohnen zur Zeit mehr als 18.000 außerhalb von Flüchtlingsunterkünften und müssen, sollte das Gesetz rigide umgesetzt werden, aus ihren Wohnungen in Sammellager umziehen. Doch auch die Verlegung von kommunalen Unterkünften in staatliche Lager ist mit einem gigantischen Aufwand verbunden. Allein in München werden ca. 2000 Flüchtlinge mit Duldungsstatus von städtischen Unterkünften in staatliche Lager umgesiedelt. Von regierungsgeführten sogenannten Gemeinschaftsunterkünften müssen rund 850 Flüchtlinge mit Aufenthaltsbefugnis in städtische Unterkünfte einquartiert werden.

Die Folge: Ein Teil der Flüchtlinge, deren Verlegung in staatlich geführte Unterkünfte ansteht, werden von München auf Flüchtlingslager in ganz Oberbayern verteilt werden, zumindest aber in Unterkünfte in anderen Stadtvierteln. Die meisten der davon Betroffenen werden ihre Arbeit verlieren, die Kinder ihre Kindergartenplätze, die Flüchtlinge fallen aus bestehenden sozialen und kulturellen Netzwerken heraus und müssen sich völlig neu orientieren. Die „Wunschlisten“ für die Unterbringung, die an die Flüchtlinge und Betreuungsstellen im Vorfeld verteilt wurden, werden nicht berücksichtigt werden, weil den Innenministerium auf eine eilige Umsetzung des Gesetzes drängt.

Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisiert die Konsequenzen des Gesetzes auf schärfste. Ohne Not werden mehrere Tausend Flüchtlinge ihrer Perspektiven und ihrer sozialen Kontakte beraubt. Das ist für Flüchtlinge, die oft mühevoll ihre Kriegs- und Verfolgungserfahrungen verarbeitet haben und für die ein geregelter Alltag und ein Minimum an Perspektive existenziell notwendig ist, eine ebenso harte wie unnötige Strafaktion.

Der Bayerische Flüchtlingsrat fordert alle Betroffenen und Initiativen auf, sich gegen die Umsetzung dieses Gesetzes zur Wehr zu setzen.

Das Unterbringungsgesetz dient nach Ansicht des Bayerischen Flüchtlingsrats dem ausschließlichen Zweck, weiteren Druck auf Flüchtlinge auszuüben. Die Umquartierung von Flüchtlingen steht damit im direkten Zusammenhang mit der vom Freistaat noch für dieses Jahr angekündigten Einrichtung sogenannter Ausreisezentren. In diese Zentren sollen Flüchtlinge eingewiesen werden, die nur geringe Chancen auf ein Bleiberecht haben, aber aus zumeist praktischen Gründen nicht abgeschoben werden können. Unverblümt nennt das Innenministerium als Ziel dieser Ausreiselager, Flüchtlinge Repressalien auszusetzen, so dass sie „freiwillig“ ausreisen.

Das bayerische Unterbringungsgesetz dient dazu, Flüchtlinge, die in vielen Fällen sozial in die Gesellschaft integriert sind, jede Bleibeperspektive auszutreiben. Damit exerziert die Staatsregierung eine rigide Ausgrenzungspolitik gegenüber Flüchtlingen, die soziale Kälte nicht nur billigend in Kauf nimmt, sondern bewusst und methodisch als Abschreckung einsetzt.

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