04.05.2003

Regierung von Mittelfranken im Fall Olenin weiter uneinsichtig

Zu den Pressemitteilungen der Regierung von Mittelfranken vom 28.04.2003

Bayerischer Flüchtlingsrat, res publica: Die Regierung von Mittelfranken (RMFr) bleibt bei ihrer Darstellung zur Abschiebung von Dimitri Olenin und versucht weiterhin, mit unwahren Aussagen die Öffentlichkeit zu täuschen. Um unsere Vorwürfe gegen die RMFr, insbesondere gegen Herrn Hammer zu präzisieren, nehmen wir auf Grundlage der Schriftsätze zum Fall Olenin zu folgenden Punkten Stellung:

Zum ersten Abschiebeversuch:
Am 11.04.2003 wurde Herr Olenin in Abschiebehaft genommen. Herr Hammer, Leiter des Abschiebelagers Fürth, buchte einen Abschiebeflug für 16.04.2003. Am 14.04.2003 stellte Herr Olenins Vertreter, Rechtsanwalt Hermann Gimpl aus Nürnberg, einen Eilantrag an das VG Ansbach, die Abschiebung auszusetzen. Das Gericht informierte noch am selben Tag die RMFr darüber, dass es aufgrund der ungeklärten Rechtslage einer Abschiebung voraussichtlich nicht zustimmen werde. Der Vorsitzende der 10. Kammer des VG Ansbach, Richter Ohl, legte der RMFr deshalb nahe, auf die Abschiebung von Herrn Olenin zu verzichten: "Es möge [...] daher auch dazu Stellung genommen werden, ob entsprechend dem Antrag [von Herrn Gimpl] von Abschiebemaßnahmen einstweilen abgesehen wird". Wir sind der Überzeugung, dass die RMFr die Abschiebung Herrn Olenins nicht deshalb ausgesetzt hat, weil sie ihm wohlwollend eine Chance eines fairen Asylfolgeverfahren geben wollte. Herr Hammer stornierte den Abschiebeflug, weil es das sinnvollste war, was er tun konnte: Der informellen Entscheidung des VG Ansbach Folge zu leisten.

Zur Pflicht, die Abschiebung einen Monat vorher anzukündigen:
Wie bereits berichtet sind die Ausländerbehörden nach § 56, Absatz 6 Satz 2 Ausländergesetz (AuslG) dazu verpflichtet, Flüchtlinge, die länger als ein Jahr mit einer Duldung in Deutschland leben, einen Monat vorher über ihre Abschiebung zu informieren. Dies ist geltendes Recht. Mit Bedauern nehmen wir zur Kenntnis, dass das VG Ansbach die behördliche Praxis noch nicht korrigiert hat, dieses Recht per Auflage zur Duldung präventiv aufzuheben. Denn die RMFr hat die Duldung von Herrn Olenin um die Auflage erweitert, dass er sofort abgeschoben werden kann, sobald ein Heimreiseschein für ihn vorliegt und damit § 56, Abs. 6 Satz 2 AuslG für ihn nicht gilt. Dieses Behördenhandeln halten wir nach wie vor für Rechtsbruch. Wir sehen uns in dieser Auffassung bestätigt durch:
  • die allgemeine Rechtsauffassung in der juristischen Fachliteratur, die eine solche Auflage für unzulässig bezeichnet und
  • durch das VG Ansbach selbst: In der Empfehlung an die RMFr vom 14.04.2003, auf die Abschiebung Dimitri Olenins zu verzichten (s.o.), verweist Richter Ohl als Begründung u.a. explizit auf §56, Abs. 6 AuslG.

Zum zweiten Abschiebeversuch:
Die Behauptung Herrn Hammers, es hätte keinen zweiten Abschiebeversuch gegeben, entbehrt nach wie vor jeglicher Grundlage: Nach Angaben der Fluggesellschaft Czech-Air waren für den Tag des zweiten Abschiebeversuchs vier Plätze für Abschiebungen für den Flug von München nach Prag reserviert. Fünf Deportees wurden zum Flughafen München transportiert, darunter Herr Olenin. Er war der einzige, der das Glück hatte, dass er nicht abgeschoben werden konnte. Die Anwesenheit Herrn Olenins am Flughafen München wurde mehrfach bestätigt, darunter vom BGS am Flughafen München gegenüber der Freundin Dimitri Olenins, die durch Unterstützung des Flughafensozialdienstes einen Besuchsschein ausgehändigt bekam. Sie erhielt dadurch (in Unkenntnis der abgesagten Abschiebung) wenigstens die Möglichkeit, sich von Dimitri Olenin persönlich zu verabschieden und ihm Geld in seine ungewisse Zukunft mitzugeben. Selbst ein Mitarbeiter der Zentralen Rückführungsstelle Nordbayern (Außenstelle Zirndorf) bei der RMFr bestätigte in einem Telefonat mit Herrn Gimpl, dass sich Herr Olenin am 24.04.03 bereits am Münchner Flughafen befunden hat.
Diese völlig sinnlose, weil nachweisbar falsche Leugnung des zweiten Abschiebeversuchs gibt Zeugnis von der beruflichen Professionalität Herrn Hammers. Ihm sollte als Vertreter einer deutschen Behörde daran gelegen sein, seine Arbeit mit dem gebotenen Maß an Objektivität und Wahrhaftigkeit zu erledigen, zu dem ihn sein Auftrag zum Vollzug deutschen Rechts verpflichtet. Es ist nicht seine Aufgabe, einen Flüchtling um jeden Preis in eine langjährige Haftstrafe abzuschieben, die er, glaubt man den Ausführungen von Amnesty International, wahrscheinlich nicht überleben wird. Und hier kann sich Herr Hammer nicht aus der Verantwortung stehlen. Er hat die Abschiebungsversuche Dimitri Olenins organisiert, obwohl dessen Identitätsan-gaben nach 11 Jahren durch das russische Generalkonsulat endlich bestätigt wurden.


Dimitri Olenins Asylerstantrag scheiterte daran, dass er nicht beweisen konnte, derjenige zu sein, der er vorgab. Bei der alles entscheidenden mündlichen Gerichtsverhandlung, in der die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen überprüft werden sollte, war er nicht persönlich anwesend. Das Gericht wertete dies als individuelles Verschulden des Antragstellers und lehnte den Asylantrag unanfechtbar ab, da es sich außerstande sah, die Überprüfung objektiv vorzunehmen. Allerdings war das Gericht nicht in Kenntnis gesetzt worden, dass Dimitri Olenin zu dieser Zeit eine Haftstrafe (u.a. wegen Verstoß gegen die Residenzpflicht) verbüßte. Alle weiteren Asylfolgeanträge, auch der letzte vom 14.04.2003 wurden unter Verweis auf diese unanfechtbare Ablehnung seines Asylerstantrags abgelehnt. (Wir bitten zu entschuldigen, dass wir diese mündliche Verhandlung in unserer PM vom 24.04.2003 einem Asylfolgeantrag zugeordnet haben.)
Dimitri Olenin hätte gute Chancen gehabt, als Asylberechtigter anerkannt zu werden, wenn sich die russischen Behörden nicht jahrelang geweigert hätten, seine Identitätsangaben zu bestätigen. Ihn jetzt abzuschieben, nachdem endlich bewiesen ist, dass seine Angaben richtig waren, ist unmenschlich.

res publica und der Bayerische Flüchtlingsrat fordern deshalb den zukünftigen Nachfolger von Herrn Hammer auf, die Versuche, Herrn Olenin abzuschieben, einzustellen und sich dafür einzusetzen, dass er die Chance erhält, ohne Berücksichtigung der zurückliegenden Pannen in den Genuss eines fairen Asylverfahrens zu kommen.
Herr Hammer selbst ist nach seinem erwiesenen Versuch, die Öffentlichkeit in Zusammenhang mit dem zweiten Abschiebeversuch zu belügen, in seinem Amt nicht mehr tragbar und muss von Dienst suspendiert werden.

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