09.05.2003

Razzia beim Bayerischen Flüchtlingsrat und der Karawane

Heute morgen fanden in den Geschäftsräumen des Bayerischen Flüchtlingsrats und in der Privatwohnung eines Mitglieds der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen Hausdurchsuchungen statt.

Angeblicher Grund der Razzien: am 19. Dezember letzten Jahres fand eine gemeinsame Aktion des Flüchtlingsrats und der Karawane gegen die Abschiebung von Flüchtlingen am Münchner Flughafen statt. FlüchtlingsaktivistInnen verteilten Flugblätter mit Hinweisen, wie sich Passagiere und Flugpersonal gegen eine bevorstehende Abschiebung zur Wehr setzen können. So konnte die Abschiebung des togoischen Flüchtlings Agoroh Koumai erfolgreich verhindert werden.
Die Polizei konstruiert auf der Basis dieses Flugblatts den Aufruf zu einer Straftat. Die heutige Razzia fand nach Angaben der Polizei statt, um die Herkunft des Flugblatts festzustellen, das am Flughafen verteilt worden war. Diese Behauptung ist offenkundig absurd, denn zum einen sind die Flugblattverteiler der Polizei seit der Aktion bekannt, zum anderen war das Faltblatt ordentlich mit V.i.S.d.P. ausgestattet. Obwohl Matthias Weinzierl als Vertreter des Bayerischen Flüchtlingsrats für das Flugblatt verantwortlich zeichnet, kam es im Februar zunächst zu Razzien bei Mitgliedern der Karawane. Heute wurden die Räume des Bayerischen Flüchtlingsrats und „Nebenräume“ Ort einer Durchsuchung. Es bleibt zu ermitteln, ob die Polizei hierbei ihre Kompetenzen überschritten hat, denn der Laden in der Augsburgerstr. 13 beherbergt die Räume von drei weiteren Vereinen, für die keine Durchsuchungsgenehmigung vorgelegt wurde. Die Polizei beschlagnahmte einen Ordner mit Presseerklärungen, die öffentlicher nicht mehr sein könnten, sowie einen Ordner mit aktuellen Einzelfällen, die zum Teil vertrauliche Auskünfte und Informationen von Flüchtlingen enthalten, jedoch nichts, was in Zusammenhang mit besagtem Flugblatt steht. Weiter wurde im Flüchtlingsrat eine CD mit vertraulichen Daten und bei einem Mitglied der Karawane gleich ein PC beschlagnahmt.
Der Bayerische Flüchtlingsrat und die Karawane protestieren entschieden gegen dieses Vorgehen! Es entsteht der Eindruck, dass erfolgreiche Aktivitäten gegen die unmenschliche Abschiebepraxis in Folterstaaten wie z.B. Togo - massive polizeiliche Repressionen nach sich ziehen, um den Widerstand unmöglich zu machen. Schon die erste Razzia war in unseren Augen blanker Unsinn, auch die heutige Razzia werten wir als Schikane. Es ist uns völlig schleierhaft, welche weiteren „Beweise“ die Polizei sucht. Die Mitnahme vertraulicher Daten von Klienten, Anwälten und Vereinsmitgliedern des Bayerischen Flüchtlingsrats werten wir deutliche Überschreitung der polizeilichen Kompetenzen, die durch den Durchsuchungsbescheid nicht gedeckt ist. Wenn fünf Monate nach dem Verteilen eines Flugblattes die heutige Hausdurchsuchung mit „Gefahr im Verzug“ legitimiert wird, dann braucht es keine Novelle des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes, dann ist auch so schon polizeilicher Willkür Tür und Tor geöffnet.
Wir lassen uns nicht auf diese Weise einschüchtern und kriminalisieren. Wo Unrecht ist, ist Widerstand Pflicht! Die Karawane und der Bayerische Flüchtlingsrat werden auch in Zukunft für all diejenigen, die in diesem Land keine Lobby haben, Partei ergreifen.

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