12.11.2003

Prozess wegen einer erfolgreich gestoppten Abschiebung

Am Donnerstag, den 13.11.2003 findet um 13.15 Uhr am Amtsgericht München, (Nymphenburger Straße 16, Sitzungssaal: A 123/I) ein Prozess anlässlich der erfolgreichen Protestaktionen gegen die versuchte Abschiebung des Togoers, Koumai Agoroh, statt. Vor Gericht steht Matthias W., einer der Geschäftsführer des Bayerischen Flüchtlingsrats. Vorgeworfen wird ihm eine „öffentliche Aufforderung zu Straftaten“.

Hintergrund: Am 19. Dezember 2002 sollte der togoische Flüchtling Koumai Agoroh gegen seinen erklärten Willen mit einem Flug der KLM von München über Amsterdam nach Lomé/Togo abgeschoben werden. Aus der Abschiebehaft wandte sich Herr Koumai über Freunde an die Menschrechtsorganisation Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen und den Bayerischen Flüchtlingsrat. Er äusserte massive Ängste vor Inhaftierung, Folter oder Schlimmerem, die ihm im Falle seiner Rückkehr nach Togo drohten. Koumai Agoroh war als Mitglied der demokratischen Opposition Togos gegen das Regime Eyademas nach Deutschland geflohen.

Als der Termin der Abschiebung bekannt wurde, wandten sich MitarbeiterInnen der Karawane und des Bayerischen Flüchtlingsrates per Fax an das Sicherheitspersonal der Airline und wiesen deren Mitarbeiter darauf hin, dass einer Ihrer Fluggäste gegen seinen erklärten Willen zum Flug genötigt werden soll. Außerdem wurden unmittelbar vor der geplanten Abschiebung, am Flughafen München, Infoblätter an die Fluggäste der KLM verteilt.

In dem Infoblatt wurden die Fluggäste über die geplante Abschiebung von Herrn Koumai informiert und um verstärkte Aufmerksamkeit gebeten. Ihnen wurden Möglichkeiten dargelegt, durch couragiertes Handeln gegebenenfalls den Start des Flugzeugs und damit die Abschiebung zu verhindern. Die aufgezählten Mittel der Zivilcourage waren unter anderem:
„sich nicht hinzusetzen“, „mit dem Piloten zu reden“, „und anzukündigen das Handy nicht auszuschalten“.

Letzteres nahm nun die Staatsanwaltschaft zum Anlass, Matthias W., der in seiner Funktion als einer der Geschäftsführer des Bayerischen Flüchtlingsrats für das Infoblatt presserechtlich verantwortlich gezeichnet hatte, wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten anzuklagen. Die Staatsanwaltschaft sieht in dem Infoblatt einen Aufruf zu einem "gefährlichen Eingriff in den Flugverkehr und eine Nötigung".

Im Falle Koumai Agorohs ist es gelungen die Abschiebung in letzter Minute zu verhindern. Die Protestaktionen waren erfolgreich. Koumai Agoroh wurde nicht abgeschoben und konnte mittlerweile als freie Person in ein anderes Land ausreisen. Dazu Sabine Knappe, (Karawane): „Trotz der Reaktionen von Polizei und Staatsanwaltschaft in Form von Festnahmen, Hausdurchsuchungen und Strafverfahren werten wir unsere bisherigen Maßnahmen gegen Abschiebungen als Erfolg. Wir werden es auch in Zukunft nicht hinnehmen, dass Menschen gegen ihren Willen außer Landes geschafft werden“.

Auf völliges Unverständnis stießen die Razzien, die in den Geschäftsräumen des Bayerischen Flüchtlingsrats, in der Privatwohnung von Matthias W. sowie bei Mitgliedern der Karawane vier Monate nach den Protestaktionen stattfanden. Nach Angaben der Polizei waren sie notwendig, um die Herkunft des Flugblatts festzustellen. Das ist offenkundig absurd, denn zum einen waren die Flugblattverteiler der Polizei seit der Aktion bekannt, zum anderen war das Faltblatt ordentlich mit V.i.S.d.P. ausgestattet.

Marie Hess, (Bayerischer Flüchtlingsrat) sieht in dem Verfahren „einen deutlichen Versuch, den legitimen und notwendigen Widerstand gegen die herrschende Abschiebepraxis zu kriminalisieren. Dieses Prozedere dient nur dazu, UnterstützerInnen von Flüchtlingen massiv einzuschüchtern“.

Der Bayerische Flüchtlingsrat und die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen hoffen auf einen Freispruch. Eine Abschiebung in ein Land zu verhindern, in dem nach wie vor mit unberechenbaren "Mitteln" gegen Regimegegner vorgegangen wird, erscheint uns nicht nur legitim, sondern mehr noch, dringend erforderlich. Die gewählte Form der Protestaktion gegen die Abschiebung des Togoers, Koumai Agoroh, stellt für uns eine Wahrnehmung des Rechtes auf freie Meinungsäußerung und Demonstrationsfreiheit dar. Einen Menschen gegen seinen Willen in ein Land zu deportieren, in dem er Folter und Tod fürchtet, können wir nicht hinnehmen.

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