21.01.2018

Pressemitteilung vom 21.01.2018 der Initiative Bleiberecht Würzburg

PRESSEMITTEILUNG vom 21.01.2018
der Initiative Bleiberecht Würzburg
- zur sofortigen Veröffentlichung


Presseerklärung der Initiative Bleiberecht Würzburg
Eindrucksvoller Protest von über 200 Menschen gegen Abschiebungen
nach Afghanistan auf dem Würzburger Marktplatz am Sonntag, den 21.01.2018

Für Dienstag, den 23. Januar 2018 hat die Bundesregierung, laut übereinstimmenden Medienberichten, die nächste Sammelabschiebung von Düsseldorf nach Kabul/ Afghanistan geplant. Aus Protest gegen Diese hat die Initiative Bleiberecht am Sonntag, den 21. Januar um 15:30 Uhr am UnterenMarktplatz in Würzburg eine eindrucksvolle Kundgebung gegen Abschiebungen nach Afghanistan veranstaltet. Die über 200 Demonstrationsteilnehmer_innen verurteilten die geplante Abschiebung als völkerrechtswidrig und menschenverachtend und forderten den sofortigen Stopp der geplanten Abschiebung nach Afghanistan, sowie aller weiteren Abschiebungen.

Nach zwölf Jahren ohne größere Abschiebeflüge begann die Bundesregierung Ende 2016 erneut Menschen nach Afghanistan abzuschieben. Seitdem hat Deutschland bei insgesamt acht Sammelabschiebungen 156 Menschen – gegen deren Willen und trotz eskalierender Kämpfe im Land – nach Afghanistan deportiert.

Abschiebungen nach Afghanistan bedeuten Gefahren für Leib und Leben der betroffenen Menschen, denn in Afghanistan gibt es keine sicheren Gebiete. Dies bezeugen zahlreiche Berichte von Menschenrechtsorganisationen und der UN, welche von der unsichersten Lage des Landes seit 2001 sprechen. Deutschland rechtfertigt diese Abschiebungen mit dem Argument, dass es in Afghanistan sichere Regionen gäbe, in denen Geflüchteten leben könnten. Dieser falschen Annahme widersprechen aber über 5.243 zivile Opfer, davon 1.662 Tote und 3.581 Verletze alleine in dem Zeitraum zwischen dem 1. Januar und dem 30. Juni 2017 in allen Teilen des Landes.

Und die Verschlechterung der Sicherheitslage im Land setzt sich fort. „In den deutschen Medien wurde seit Heiligabend 2017 von bereits fünf Anschlägen in Afghanistan berichtet, bei denen insgesamt mindestens 97 Menschen getötet wurden. Erst gestern, am Samstag, den 20.01.18 gab es einen Anschlag auf das Hotel Intercontinental in Kabul. Nach Angaben des afghanischen Innenministeriums seien bei dem Angriff sechs Zivilisten getötet worden. Augenzeugenberichten zufolge sei die Zahl der Opfer aber  viel höher als das, was Regierungssprecher offiziell sagten. Afghanische Medien berichteten daher von bis zu 18 Todesopfern.“ schildert Melchior K. von der Initiative Bleiberecht und einer der Mitinitiatoren der Kundgebung, die aktuelle Sicherheitspolitische Lage in Afghanistan.

Die Abschiebungen nach Afghanistan haben nicht nur für die davon direkt betroffenen, abgeschobenen Menschen katastrophale Folgen. „Alle afghanischen Menschen, die kein dauerhaft sicheres Bleiberecht haben, leiden unter Angst vor der Abschiebung. Seit der Wiederaufnahme der Abschiebungen Ende 2016 hat es allein in Bayern 43 versuchte Suizide von afghanischen Geflüchteten gegeben.“ erklärt Melchior K.

Die durch die Bundesregierung vorgebrachte Behauptung, es handele sich bei den abgeschobenen Menschen „nur“ um „Straftäter“, „Gefährder“ und Menschen, die „hartnäckig ihre Mitwirkung an der Identitätsfeststellung verweigern“ ist nicht nur mehrfach widerlegt worden, sondern in Anbetracht der Lage in Afghanistan auch verantwortungslos und menschenverachtend. „Immer wieder wurden nach den vergangenen Sammelabschiebungen Fälle von Menschen bekannt, die keinerlei Straftaten begangen hatten oder deren Straftaten im Fahren ohne Ticket bestand, wie zum Beispiel der Fall von Baryalai Salimi aus Bayreuth belegt, der im Dezember 2017 abgeschoben wurde.“ kritisiert Melchior K..

Nach Informationen des Bayrischen Flüchtlingsrat werden mindestens vier Menschen aus Bayern von der geplanten Abschiebung am Dienstag, betroffen sein, die sich teilweise bereits auch schon in Abschiebehaft befinden. Der Flüchtlingsrat rechnet jedoch damit, dass sich die Zahl der betroffen Menschen aus Bayern noch bis Dienstag weiter erhöht.

Eine Rednerin von Mehr als 16a machte in ihrem Redebeitrag auf der Kundgebung darauf aufmerksam, dass nicht nur Afghanen, sondern auch viele andere Menschen von Abschiebungen betroffen sind: „Allein in den letzten zwei Wochen hat es zum Beispiel vom Flughafen Karlsruhe Sammelabschiebungen in den Kosovo, nach Belgrad und nach Albanien gegeben. Über die Hälfte der Betroffenen Personen, waren Kinder unter 14 Jahre, wovon viele in Deutschland geboren und aufgewachsen sind und noch nie in diesen Ländern waren.“

Stephan Lutz Simon, Leiter der Jugendbildungsstätte Unterfranken, der auch als Redner auf der Kundgebung sprach, kritisierte die enorme Diskursverlagerung nach rechts, wie sie sich gerade in fast allen Teilen der deutschen Gesellschaft vollzieht. Anstatt Deutschland als Einwanderungsland zu begreifen, das es aktiv zu gestalten gilt, gewinnt längst überwunden geglaubtes, nationalistisches Gedankengut wieder an Gewicht, welches der Idee von einer offenen und solidarischen Gesellschaft widerspricht.

Nach den Redebeiträgen haben die Teilnehmer_innen der Kundgebung Plakate mit Buchstaben in die Luft gehalten und sich so zusammengestellt, dass der Slogan: „Kein Mensch ist illegal – Bleiberecht für Alle!“ über die gesamte Breite des Marktplatzes zu lesen war.

Als die Kundgebung von den Veranstalter_innen aufgelöst wurde, haben sich etwa 50 Menschen für eine Spontandemonstration zusammengefunden. Diese zog lautstark u.a. rufend: „No Border, no Nation stop Deportation“ durch die Würzburger Innenstand in Richtung der Regierung von Unterfranken.

Die Initiative Bleiberecht stellt fest: Abschiebungen nach Afghanistan sind nicht rechtens und widersprechen geltendem Völkerrecht, denn die Genfer Flüchtlingskonvention verbietet die Ausweisung, wenn dadurch das Leben eines Flüchtlings bedroht ist. Deshalb richten wir uns mit unserem Protest gegen die menschenverachtende Abschiebepolitik der Bundesregierung.

Wir fordern ein Ende der, von rechtsaußen vorangetriebenen, Abschiebepolitik der Bundesregierung!

Wir fordern, dass die für den 23. Januar geplante Abschiebung nach Afghanistan, sowie alle weiteren Abschiebungen, sofort gestoppt werden.

Wir sind solidarisch mit allen Geflüchteten!

Die Kundgebung wurde von der Initiative Bleiberecht in Zusammenarbeit mit dem Würzburger Flüchtlingsrat, der Asyl-Ak Gruppe Mehr als 16a, dem Medi Netz Würzburg, dem Flora Kreis Würzburg und Peace Love and Solidarty organisiert.



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