02.06.2014
"Politische Reaktion nach Landshuter Todesfall nötig!"
Neue Stellungnahme des Ungarischen Helsinki Kommitees: Eklatante Missstände im ungarischen Asylsystem / Flüchtlingsrat fordert Abschiebestopp nach Ungarn
Das Ungarische Helsinki Komitee hat am vergangenen Donnerstag einen aktuellen Bericht zur Situation für Asylsuchende in Ungarn herausgegeben (online abrufbar). Die NGO stellte bei ihren Recherchen erneut eklatante Missstände im ungarischen Asylsystem fest. Neben miserabler Lebensbedingungen und einer unzureichenden Sozialversorgung seien massenhafte und beinahe beliebige Inhaftierungen Asylsuchender an der Tagesordnung. Anfang April seien 40% der männlichen Asylantragsteller in Haft gewesen. Die Haft dauert oftmals Monate lang an, systemische Mängel stehen einer individuellen Prüfung von Haftverlängerungen häufig im Weg. Wer nicht inhaftiert wird, landet oft in der Obdachlosigkeit, da ein Anspruch auf Unterbringung in vielen Fällen nur für zwei Monate lang besteht.
"Der Bericht bestätigt eindrücklich, was längst bekannt ist: Das ungarische Asylsystem ist unmenschlich und schlichtweg unzumutbar!", kommentiert Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat. "Allein im letzten Jahr wurden knapp 200 Personen trotz der miserablen Bedingungen aus Deutschland nach Ungarn abgeschoben. Zahlreiche Urteile von Verwaltungsgerichten gegen Überstellungen nach Ungarn bestätigen einen dringenden Handlungsbedarf. Trotzdem wurden zuletzt die Bemühungen, Asylsuchende nach Ungarn abzuschieben, sogar noch forciert. Allein vom dritten zum vierten Quartal 2013 nahmen die Dublin-Übernahmeersuchen an Ungarn um 350% zu. Damit steigt auch die Gefahr einer Zunahme der Menschenrechtsverletzungen gegenüber aus Deutschland abgeschobenen Asylsuchenden."
Erst kürzlich, am 24.05.2014, war ein 28-jähriger Asylsuchender im Kampf mit Beamten der JVA Landshut ums Leben gekommen. Auf Grundlage des Dublin-Systems, das besagt, dass der erste Staat, den ein Flüchtling betritt, für sein Asylverfahren zuständig ist, drohte auch ihm eine Überstellung nach Ungarn. Bei einem früheren Überstellungsversuch hatte er eine Stewardess in seine Gewalt gebracht, um seine Abschiebung zu verhindern.
"Wir fordern eine zügige und umfassende Aufklärung dieses Todesfalls", so Dünnwald. "Darüber hinaus müssen hieraus dringend politische Konsequenzen gezogen werden. Wenn jemand so sehr an der Angst vor der Abschiebung nach Ungarn verzweifelt, wird die Drastik der Situation offenbar. Ein Abschiebestopp nach Ungarn ist längst überfällig und muss umgehend umgesetzt werden!"