05.06.2014
Ohne Skrupel: Familientrennung bei Dublin-Abschiebung
Zentrale Rückführungsstelle Nordbayern setzt Dublin-Abschiebungen nach Ungarn auf Biegen und Brechen durch
Um 6 Uhr am Morgen des 4. Juni 2014 wurde Familie T. aus ihrer Unterkunft in Ebenhausen in Unterfranken abgeholt und zum Flughafen Frankfurt transportiert. Die zuständige Behörde war die Zentrale Rückführungsstelle Nordbayern (ZRS). Die Familie sollte im Rahmen eines Dublin-Verfahrens nach Ungarn abgeschoben werden. Der Vater wurde nicht angetroffen, und so wurden nur Melihate T., ihr 19 jähriger Sohn Besnik und der 14-jährige Sohn Liridon nach Frankfurt gebracht. Der Mutter ging es gesundheitlich jedoch so schlecht, dass sogar die Bundespolizei am Frankfurter Flughafen gegen die Abschiebung einschritt. Laut Auskunft der Abschiebebeobachtung am Flughafen wollte die Bundespolizei die Abschiebung der gesamten Familie stoppen. Nach telefonischer Rücksprache mit der ZRS wurde jedoch nur von der Abschiebung der Mutter und des minderjährigen Sohnes abgesehen.
Während beide wieder zurück nach Unterfranken gefahren wurden, wurde der 19-jährige Sohn Besnik ins Flugzeug gesetzt und um 12.35 Uhr allein nach Budapest abgeschoben. Und dies, obwohl bekannt war, dass Besnik T. in Ebenhausen eine Freundin hat, die ein Kind von ihm erwartet, und dass beide heiraten möchten.
„Hier wird eine Familie stückweise auseinandergerissen“, kritisiert Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Obwohl die Dublin-Verordnung dem Schutz der Familie besondere Bedeutung beimisst, handelt die Zentrale Rückführungsstelle Nordbayern nach dem Motto: Abschieben auf Biegen und Brechen. Wäre die Bundespolizei nicht eingeschritten, wäre auch die kranke Mutter in den Flieger gesetzt worden. Diese Praxis der ZRS missachtet Menschlichkeit und den Schutz von Ehe und Familie. Wir fordern, dass Besnik T. umgehend zu seiner Familie und seiner schwangeren Freundin zurückgeholt wird!“
Der Versuch die kranke Mutter alleine mit ihrem minderjährigen Sohn abzuschieben, unterläuft zudem einen Gerichtsbeschluss. Das Gericht hatte der Abschiebung nur unter der Bedingung zugestimmt, dass der Mann seine kranke Frau begleiten und unterstützen könne. Der Versuch, die Frau ohne ihren Mann abzuschieben, unterstreicht die Skrupellosigkeit der ZRS.
Erst vergangene Woche wurden Dublin-Abschiebungen nach Ungarn scharf kritisiert. Das Ungarische Helsinki Komitee hat einen aktuellen Bericht zur Situation für Asylsuchende in Ungarn herausgegeben (online abrufbar). Die NGO stellte bei ihren Recherchen erneut eklatante Missstände im ungarischen Asylsystem fest. Flüchtlinge landen dort häufig in Haft oder werden auf die Straße gesetzt.