22.07.2004

Mythologie von Effizienz und Erfolg

Die Bilanz des Abschiebelagers Fürth ist hässlich

Fast schon trotzig zu nennen sind die regelmäßig wiederkehrenden Mitteilungen aus dem Bayerischen Innenministerium, dass die Zentrale Rückführungsstelle Nordbayern und das ihr unterstellte Abschiebelager in Fürth „effizient und erfolgreich“ arbeite (Pressemeldung des Innenministeriums vom 22. 7.04). Eher scheint es, als fechte Innenminister Beckstein in Fürth ein absurdes Kasperle-Theater mit dem Titel „Tapferer Schandi kämpft gegen finstere ausländische Gesellen“ aus, mit verheerenden Konsequenzen für die Betroffenen. Der psychische Druck, der durch Lagerunterbringung, Überwachung, regelmäßige Verhöre, Bargeldentzug, Arbeitsverbot und ähnliches ausgeübt wird, lässt die fröhlich formulierten Erklärungen des Innenministeriums als besonders zynisch erscheinen. Was Becksteins „Erfolgsbilanz“ verschweigt: Flüchtlinge, die schon längere Zeit den permanenten Ausnahmezustand in der Fürther „Ausreiseeinrichtung“ ertragen müssen, werden krank. Sie leiden unter psychosomatischen Erkrankungen und zeigen Symptome einer psychischen Zerrüttung wie Apathie, Depressionen, Angstzustände, Schlaf- und Appetitlosigkeit oder Alpträume. Auch Alkoholkonsum und aggressives Verhalten nehmen zu.

„Kein vernunftbegabter Mensch nimmt Beckstein die Mär von Effizienz und Erfolg ab“, konstatiert Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Allein das Problem der Untergetauchten ist Ergebnis anachronistischer Politik. Während man in der Landeshauptstadt München die Augen nicht länger vor der Existenz der Statuslosen verschließt und Unterstützungsmöglichkeiten für diese Personen in die Wege leitet, produziert Becksteins Zentrale Rückführungsagentur permanent neue Illegale. Auch Migranten aus GUS-Staaten verfügen über genügend ethnische Netzwerke, um sich Polizeikontrollen mehrheitlich zu entziehen. Das ist weder eine menschlich akzeptable noch der Sache angemessene Politik.“

Weil das Ausreiselager Fürth eine miserable Erfolgsbilanz aufweist (will man denn die Ausreise von psychisch zermürbten Menschen überhaupt als Erfolg sehen), reichert das Innenministerium die Statistiken von Fürth mit den Zahlen der gesamten Zentralen Rückführungsstelle Nordbayern an. Doch selbst so kann Beckstein die Bilanz nicht genügend aufpolieren.

„Wenn seit fast zwei Jahren Dutzende Beamte und Angestellte samt der dazugehörigen Einrichtungen darauf hinarbeiten, dass gerade mal 34 Personen außer Landes geschafft werden, dann ist dies mit Kriterien der Verhältnismäßigkeit nicht mehr zu erklären. Hier wird mit viel Steuergeld ein Mythos aufrechterhalten, der sich mit der Wirklichkeit nicht vereinbaren lässt. Hat man sich gerade mit viel Mühe davon verabschiedet, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei, so strickt Beckstein nun am Mythos ‚Bayern ist ein Ausreiseland’. So etwas gehört vielleicht auf die Bühne, aber nicht in die Politik“, kritisiert Alexander Thal von res publica.
 
Die Konsequenzen einer Politik der Ausreiselager konnten gerade in Hormersdorf im Landkreis Nürnberger Land besichtigt werden, wo die Zentrale Rückführungsstelle Nordbayern (ZRS) eine empfindliche Schlappe einstecken musste. Nach einer Messerstecherei unter Insassen des dortigen „Ausreisezentrums“ fordern die gesamte Bevölkerung, der Bürgermeister, der Landrat und die Kirchen die sofortige Schließung dieser sogenannten „bestimmten Gemeinschaftsunterkunft“. Doch statt das Lager zu schließen bekundete Michael Münchow, zuständiger Sachgebietsleiter bei der Regierung von Mittelfranken, in einer Bürgerversammlung den erzürnten und besorgten Anwohnern, das Lager künftig nur mit Familien zu belegen, um das „Angstpotential“ zu reduzieren. Bloß: unter den Flüchtlingen aus GUS-Staaten, für welche die ZRS Nordbayern vor allem zuständig ist, gibt es kaum ausreisepflichtige Familien. Deshalb werden jetzt mit großem Aufwand Familien aus Bayern zusammengesucht, die man ins Hormersdorfer Lager stecken kann.

„Eine der ganz bitteren Erfahrungen des letzten Jahrhunderts war es gerade in Deutschland, dass die Einweisung von Menschen in Lager schlimme Konsequenzen sowohl für die Insassen als auch für die außen lebende Gesellschaft hat. Es ist unerträglich, dass die Politik der Ausreiselager in Bayern als Erfolg dargestellt wird“, so Dünnwald.

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