15.04.2014

Mitarbeiter von Asylbewerberunterkunft zu Geldstrafen verurteilt

Flüchtlingskind wäre wegen unterlassener Hilfeleistung fast gestorben / PRO ASYL und Bayerischer Flüchtlingsrat: Gesetzgeber leistet solchen Taten Vorschub


Im Dezember 2011 wäre der damals 15 Monate alte Leonardo Petrovic in der Erstaufnahmeeinrichtung Zirndorf fast gestorben. Obwohl das Kind serbischer Asylsuchender Anzeichen einer schweren Erkrankung zeigte, verweigerten Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes und alle weiteren Bediensteten der Einrichtung ihre Hilfe. Die verantwortlichen Mitarbeiter der Erstaufnahmeeinrichtung Zirndorf wurden heute wegen unterlassener Hilfeleistung und Körperverletzung durch Unterlassung zu Geldstraften verurteilt.

Das Fehlverhalten der Mitarbeiter in Zirndorf ist nur ein Teil des Problems“, sagt Bernd Mesovic, stellvertretender Vorsitzender von PRO ASYL. „Mit dem Asylbewerberleistungsgesetz leistet der Gesetzgeber solchen Straftaten Vorschub.“

Das Asylbewerberleistungsgesetz regelt unter anderem, dass die Betroffenen nur Anspruch auf die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände haben. Häufig maßen sich medizinisch inkompetente Bedienstete die Entscheidung an, ob ein dem Gesetz nach „legitimer“ Behandlungsanspruch besteht – insbesondere wenn medizinisches Personal nicht unmittelbar greifbar ist. Vor dem Hintergrund des Gesetzes meinen manche Bedienstete zudem, sie müssten „missbräuchliche“ Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen verhindern. Kranke Flüchtlinge werden so auf Gedeih und Verderb restriktiven Entscheidungen inkompetenter Menschen ausgeliefert. Der Fall Leonardos ist bundesweit einer von mehreren Fällen, in denen Asylsuchende derart fast oder vollends zu Tode verwaltet wurden.

Der Paragraph 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes ist lebensgefährlich“, so Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. Das Asylbewerberleistungsgesetz sieht für Asylsuchende, Geduldete und weitere Betroffene ein ganzes Bündel an diskriminierenden Maßnahmen vor. Der Flüchtlingsrat und PRO ASYL fordern die Abschaffung des Gesetzes.

Leonardo Petrovic lebte im Dezember 2011 mit seinen Eltern erst seit zehn Tagen in der Zirndorfer Erstaufnahmeeinrichtung. Am 19. Dezember 2011 früh morgens alarmierte sein Vater den Sicherheitsdienst an der Pforte und bat, einen Krankenwagen zu holen. Bei Leonardo zeigten sich Anzeichen einer schweren Erkrankung, die sich später als Meningokokkeninfektion herausstellte. Die beiden Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes und alle weiteren Bediensteten in der Einrichtung verweigerten zunächst  ihre Hilfe. Auch nachdem ein Krankenschein vorlag, riefen sie keinen Krankenwagen. Die Verspätung hätte Leonardo fast das Leben gekostet. Das Kind trägt Narben großflächiger Hauttransplantationen davon. Mehrere Fingerglieder, zwei Zehen und Teile des Mittelfußknochens mussten amputiert werden.

Im Prozess wurde deutlich, dass in der Erstaufnahmeeinrichtung Zirndorf hinsichtlich der medizinischen Versorgung völlige Desorganisation herrscht. Eine klare Weisungslage gibt es bis heute nicht. Die Risiken für neuankommende Flüchtlinge, die sich bei gesundheitlichen Problemen oft nur schwer verständlich machen können, bestehen weiterhin.

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