18.05.2018
Mehr als eine Ohrfeige
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof kippt Gebührenverordnung für Flüchtlinge
Flüchtlinge, die in bayerischen Sammelunterkünften untergebracht sind, aber einer Erwerbsarbeit nachgehen oder nachgegangen sind, aber auch anerkannte Flüchtlinge im Sozialleistungsbezug wurden im vergangenen Jahr mit massiven Nachzahlungsbescheiden für Unterkunftsgebühren konfrontiert. Auf der Grundlage der Asyldurchführungsverordnung werden monatlich rund 315 € fällig, die sich häufig auf mehrere Tausend Euro aufsummiert hatten. Die Berechnungsgrundlage ist bizarr und führt dazu, dass Flüchtlingen teils 40 Euro pro Quadratmeter für ein Bett im Mehrbettzimmer bezahlen mussten. Auf dem Mietmarkt liegen selbst Münchner Preise weit darunter, und eine solche Forderung wäre als sittenwidriger Mietwucher geahndet worden. Nicht so bei einer Behörde. Lange verteidigte das Sozialministerium seine Gebührenberechnung, nun wurde diese komplett gekippt.
Der Passauer Anwalt Klaus Schank reichte im vergangenen Sommer eine Normenkontrollklage bei Gericht ein. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gibt ihm nun in allen Punkten recht. Die Berechnungsgrundlage für die Gebühren sei nicht statthaft, weil sie nicht nach den Prinzipien der Kostendeckung und der Verhältnismäßigkeit erfolgt, beide Grundsätze habe die bayerische Staatsregierung massiv verletzt, urteilte der BayVGH. Leerstände, Betreuung oder Bewachung der Unterkünfte durch Security dürfen nicht als Unterbringungskosten auf den Einzelnen umgelegt werden. Die zum Vergleich herangezogenen Kosten für eine Single-Wohnung eines Sozialhilfeempfängers entbehre der Vergleichsgrundlage: die Unterbringung von Asylsuchenden und die Wohnung von Sozialleistungsbeziehern biete keine vergleichbaren Standards. Die Begründung des Gerichts enthält zugleich eine heftige Kritik an der Unterbringung von Flüchtlingen im Freistaat, weist sie doch darauf hin, dass die vorab schon sehr niedrigen Leitlinien für Unterbringung von Asylsuchenden (Regel von 7 qm pro Person, die jedoch auch unterschritten werden darf) 2015 außer Kraft gesetzt und bislang nicht wieder reaktiviert wurden.
„Der Bayerische Flüchtlingsrat begrüßt das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs gegen die bayerische Staatsregierung, die ohne reale Berechnungsgrundlage Phantasiegebühren erhebt, Erwerbseinkommen von Flüchtlingen abschöpft und die Sozialleistungskassen schröpft. Das Gericht schiebt der staatlichen Abzocke von Asylsuchenden in Bayern einen Riegel vor“, erklärt Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Der Bayerische Flüchtlingsrat fordert die Staatsregierung auf, die zu Unrecht kassierten Unterkunftsgebühren zurückzuerstatten und endlich humane Mindeststandards für die Unterbringung zu erlassen und umzusetzen.“