10.07.2015

Massive Grenzkontrollen sind illegal

EU hat Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen übermäßiger Grenzkontrollen eröffnet / 2,3 Millionen Kontrollen im grenznahen Raum im Jahr 2014


Die bayerische Staatsregierung beklagt seit Monaten, dass die Zahl der Flüchtlinge in Bayern rapide zugenommen hat. Trotz inzwischen vier Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) in München, Zirndorf, Deggendorf und Schweinfurt, reichen die Kapazitäten bei weitem nicht mehr aus. Neben den vielen dauerhaften Dependancen müssen vermehrt Notfallplan-Unterkünfte in Turn- und Lagerhallen errichtet werden, um die neu ankommenden Flüchtlinge in Bayern unterzubringen.

Doch die Staatsregierung verschärft die Probleme bei der Unterbringung mutwillig selbst. Denn die Fluchtrouten führen von Italien und Ungarn über Österreich durch Bayern hindurch, Bundespolizei und bayerische Landespolizei kontrollieren die Grenzen jedoch umfassend und beenden so die Flucht vorzeitig an (Bus-)Bahnhöfen, Raststätten oder in Zügen. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMF), die zum größten Teil Verwandte in Deutschland oder anderen EU-Ländern haben und zu ihnen unterwegs sind. Sie werden jedoch in Passau, Rosenheim oder München aufgegriffen und müssen dort in Obhut genommen werden. Bayern schafft sich so erst die UMF, die keine wären, wenn sie bei ihren Verwandten ankämen. Und um das Problem noch zu verschärfen, stellte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann weitere 500 Bereitschaftspolizeibeamte ab, um die Schleierfahndung noch weiter zu intensivieren.

Deutschland ist einer der wenigen EU-Staaten, die die Dublin-Verordnung noch ernst nehmen. Die meisten anderen EU-Staaten registrieren nur noch die Flüchtlinge, die registriert werden wollen. Das Ende des Dublin-Systems nahm seinen Anfang im Herbst 2013 vor der italienischen Insel Lampedusa. Nachdem fast 500 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken waren, startete Italien die Operation Mare Nostrum und rettete innerhalb eines Jahres rund 150.000 Flüchtlinge vor dem Ertrinken. Italiens Appelle an seine EU-Partner zur Unterstützung verhallten ungehört, kein einziger EU-Staat beteiligte sich an den Kosten der Operation, kein EU-Staat nahm auch nur einen einzigen Flüchtling aus Italien auf. Nachvollziehbar, dass Italien damit begann, nur noch die Flüchtlinge zu registrieren, die in Italien bleiben wollen. Alle Anderen können ungehindert weiterreisen. Auch Österreich schloss sich dieser Praxis an, wie inzwischen einige andere EU-Staaten.

Die bayerische Staatsregierung begründet ihr Handeln mit der Dublin-Verordnung: man sei gezwungen, die Flüchtlinge zu kontrollieren. Dies ist nicht richtig. Tatsächlich verstößt Deutschland aufgrund der intensiven Grenzkontrollen gegen die europäische Freizügigkeit, eine der Grundfesten der Europäischen Union. Im Jahr 2014 führte allein die Bundespolizei über 2,3 Millionen Kontrollen im grenznahen Raum durch, im Jahr 2015 dürften es deutlich mehr werden. Die EU-Kommission hat deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet.

Zur Entschärfung des Unterbringungsproblems empfehlen wir der bayerischen Staatsregierung mehr Gelassenheit. Der bayerische Grenzkontrollwahnsinn führt dazu, dass eine Vielzahl von Flüchtlingen aufgegriffen, registriert, untergebracht und weitertransferiert wird, obwohl sie zu Verwandten in anderen EU-Staaten und ganz Deutschland wollen. Die Durchreise durch Bayern hinzunehmen, würde den Flüchtlingen helfen, die bayerischen Behörden bei der Unterbringung entlasten und wäre noch nicht mal illegal“, erklärt Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Illegal ist die engmaschige Kontrollpraxis der Polizei in Bayern!

Zurück