15.03.2012

Lagerunterbringung: CSU verweigert sich menschenwürdiger Neuregelung

Heute verabschiedet der Bayerische Landtag die Neuregelung der Lagerunterbringung / Ausschlusskriterien und Bürokratie machen Auszüge aus den Flüchtlingslagern fast unmöglich


Nach fast dreieinhalb Jahren ist es endlich soweit: Am heutigen Donnerstag, den 15.03.2012, gegen 16.30 Uhr wird der Bayerische Landtag mit Regierungsmehrheit die Neuregelung der Lagerunterbringung von Flüchtlingen verabschieden. Diesem Schritt waren heftige Konflikte innerhalb der CSU/FDP-Regierung vorangegangen, denn die CSU wollte an der rigiden Lagerunterbringung für Flüchtlinge festhalten. Die FDP forderte gemeinsam mit der Opposition hingegen eine zeitliche Befristung auf maximal ein Jahr. Mehrmals musste sich der Koalitionsausschuss mit dem Thema befassen, in zähen Verhandlungen wurde ein dünner Kompromiss gefunden. Dieser bayerische „Asylkompromiss“ wird heute in Form einer Änderung des Aufnahmegesetzes verabschiedet.

Der Asylkompromiss sieht vor, dass Familien mit Kindern nach Abschluss des ersten Asylverfahrens beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) – in der Regel 1 bis 2 Jahre – ausziehen dürfen. Alle anderen Flüchtlinge müssen nach Abschluss des ersten Asylverfahrens beim BAMF weitere 4 Jahre warten, sie bleiben also 5-6 Jahre im Lager.

Wir gestehen der FDP zu, dass sie, mit tatkräftiger Unterstützung durch die Oppositionsparteien, im Landtag der CSU eine strukturelle Veränderung abgetrotzt hat. Mit der Neuregelung werden wenigstens zeitliche Obergrenzen für die Lagerunterbringung eingeführt. Dennoch wird kaum eine nennenswerte Zahl von Flüchtlingen aus den Lagern ausziehen dürfen. Die engen Ausschlusskriterien und das bürokratische Antragsverfahren werden das verhindern“, kritisiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats.

Von der Auszugserlaubnis ausgenommen sind Flüchtlinge, die bei der Klärung ihrer Identität nicht mitwirken. Erste Erfahrungen, die mit der vorläufigen Neuregelung der Lagerunterbringung (seit 1.4.11 im Vorgriff auf die Gesetzesänderung in Kraft) gemacht wurden, zeigen, dass dies ein Einfallstor für die Willkür der Ausländerbehörden ist. Einer syrischen Familie aus Aschaffenburg wird z.B. der Auszug verweigert, weil sie nicht zur Botschaft gehen will, um ihre hier geborenen kleinen Kinder nachzuregistrieren. Dabei ist hinlänglich bekannt, dass die Botschaft mit Geheimdienstmitarbeitern durchsetzt ist und ein Kontakt zur Botschaft lebensgefährliche Konsequenzen für die Angehörigen in Syrien nach sich ziehen kann. Warum die Beschaffung der Pässe für die Klärung der Identität notwendig ist, bleibt ein Rätsel: Die Eltern haben syrische Nationalpässe, für die Kinder liegen deutsche Geburtsurkunden vor.

Ebenso von der Auszugserlaubnis ausgenommen sind Flüchtlinge mit Vorstrafen von mehr als 50 Tagessätzen (90 Tagessätzen bei Verstößen gegen das Ausländerrecht). Nachdem es keine legalen Möglichkeiten mehr gibt, nach Deutschland einzureisen, um Asyl zu suchen, reisen Flüchtlinge entweder mit gefälschten Pässen per Flugzeug ein, oder auf dem Landweg. Ein Großteil dieser Flüchtlinge wird deshalb wegen Urkundenfälschung oder illegaler Einreise verurteilt. Noch bevor überhaupt über ihren Asylantrag entschieden wird, werden sie schon vom Auszug aus dem Lager ausgeschlossen.

Ein weiteres Problem der Neuregelung ist das bürokratische Antragsverfahren, das Flüchtlinge bei der Suche nach Wohnungen massiv benachteiligt. Flüchtlinge müssen sich zunächst eine Wohnung suchen und sich vom Vermieter einen Mietvertrag aushändigen lassen, obwohl ihre Duldung den Vermerk enthält, dass die „Wohnsitznahme“ auf das Flüchtlingslager beschränkt ist, ist dem sie leben. Gelingt es ihnen dennoch, einen Vermieter davon zu überzeugen, ihnen eine Wohnung zu vermieten, müssen sie mit dem Mietvertrag bei der für sie zuständigen Bezirksregierung zunächst den Antrag auf Auszug in diese Wohnung stellen. Die Regierung prüft 2 Monate lang, ob sie dem Antrag zustimmt. Sie fragt dabei die Ausländerbehörde an, ob sie dem Antrag zustimmt, oder ob Ausschlussgründe vorliegen. Bei Zustimmung der Ausländerbehörde erhalten die Flüchtlinge die Auszugserlaubnis, doch nach 2 Monaten Bearbeitungszeit sind die Wohnungen in der Regel anderweitig vergeben.

Flüchtlingslager sind menschenunwürdig, machen die BewohnerInnen krank und sind extrem teuer. Zudem steigen derzeit die Flüchtlingszahlen auf niedrigem Niveau an, die Bezirksregierungen wissen nicht mehr, wo sie Flüchtlinge unterbringen sollen. In Ebersberg war unlängst sogar im Gespräch, eine Turnhalle als vorübergehende Unterbringungsmöglichkeit zu nutzen. Der einzig richtige Schritt in dieser Situation wäre gewesen, wie in anderen Bundesländern Flüchtlinge großzügig aus den Lagern ausziehen zu lassen, ohne lange Wartefristen, ohne enge Ausschlusskriterien, ohne Gängelung durch bürokratische Antragsverfahren. Dadurch würden schnell Kapazitäten in den bestehenden Lagern frei, um neu ankommende Flüchtlinge vorübergehend unterzubringen. Diese Chance hat die CSU verspielt. Wenn sich Sozialministerin Christine Haderthauer nun darüber mokiert, Flüchtlinge würden ihre Auszugsmöglichkeiten nicht nutzen, da sie gar nicht ausziehen wollen, ist das zynisch“, stellt Thal abschließend fest.

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