26.03.2014
Körperverletzung: Erstaufnahmeeinrichtung Zirndorf vor Gericht
Im Dezember 2011 ist ein 15 Monate altes Baby in der EA Zirndorf beinahe gestorben / Verantwortliche MitarbeiterInnen müssen sich wegen Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung ab 01.04.2014 vor dem Amtsgericht Fürth verantworten
Leonardo Petrovic lebte im Dezember 2011 mit seinen Eltern Klaudija und Jovica Petrovic seit 10 Tagen in der Erstaufnahmeeinrichtung (EA) Zirndorf. Vermutlich dort infizierte er sich mit Meningokokken, die das Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom auslösten – dabei gerinnt das Blut in den Blutgefäßen. Sein kleiner Körper war mit schwarzen Flecken übersät, er hatte 40° Fieber und war völlig apathisch. Am 19.12.2011, Montag morgens um 7 Uhr alarmierte Leonardos Vater, Jovica Petrovic, den Sicherheitsdienst am Eingang der EA und bat darum, einen Krankenwagen zu holen. Doch sowohl die beiden Mitarbeiter des Sicherheitsdiensts, als auch alle weiteren Bediensteten in der EA verweigerten die Hilfe, da Leonardo noch keinen Krankenschein hatte.
Erst 2 Stunden später erhielten die Eltern den bitter nötigen Krankenschein, ein Krankenwagen wurde dennoch nicht gerufen. Mit einem schlecht kopierten Stadtplan wurden sie bei Minus 3° Außentemperatur zu Fuß zum mehrere Kilometer entfernten Ärztezentrum geschickt. Einem aufmerksamen Autofahrer, der die kleine Familie an einer roten Ampel entdeckte und zum Ärztehaus fuhr, ist es zu verdanken, dass Leonardo überlebt hat. Er ist von der Erkrankung schwer gezeichnet, nach 25 Hauttransplantationen ist sein Körper großflächig vernarbt, mehrere Fingerglieder sowie 2 Zehen mit Mittelfußknochen mussten amputiert werden und sein rechtes Fußgelenk wird für immer steif bleiben.
Am Dienstag, den 01.04.2014 beginnt der Prozess gegen die Verantwortlichen in der Zirndorfer EA wegen Körperverletzung durch Unterlassen und unterlassener Hilfeleistung. Prozessbeginn ist um 9 Uhr im Amtsgericht Fürth, Sitzungssaal 104. Jovica und Klaudija Petrovic sind als erste Zeugen geladen. Ein zweiter Prozesstermin wurde für 15.4.2014 angesetzt.
Neben dem persönlichen Fehlverhalten der MitarbeiterInnen in Zirndorf, das das AG Fürth aufklären muss, spielt ein weiterer Faktor eine bedeutende Rolle: Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) regelt in § 6, dass nur akute Erkrankungen und schmerzhafte Zustände behandelt werden dürfen. Die Prüfung obliegt MitarbeiterInnen der Sozialämter – die verfügen in der Regel jedoch über keinerlei medizinische Fachkompetenz. Dieses Verfahren ist nicht weiter hinnehmbar. Zudem wurde das AsylbLG bereits am 18.07.2012 vom Bundesverfassungsgericht in Teilen für verfassungswidrig erklärt.
„Flüchtlinge, die in einer Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht werden, sind auf Gedeih und Verderb vom Verhalten der dortigen MitarbeiterInnen abhängig. In der EA Zirndorf werden sie eiskalt verwaltet – Leonardo beinahe zu Tode. Sozialministerin Emilia Müller muss dafür sorgen, dass in Zirndorf Flüchtlinge wie Menschen behandelt und nicht wie Stückgut im Lager verwahrt werden“, fordert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. Zudem: „Wer krank ist, muss uneingeschränkt zum Arzt gehen können, und darf nicht abhängig sein vom Gutdünken eines Sozialamtsmitarbeiters. Das Asylbewerberleistungsgesetz, das diese Praxis festschreibt, ist deshalb menschenfeindlich und muss umgehend abgeschafft werden!“