20.06.2005

Keine Feier zum Weltflüchtlingstag in Zirndorf

Der Internationale Weltflüchtlingstag in Zirndorf fällt aus

Asylgruppe Zirndorf: Die Familie Avdija ist weiterhin zwangsweise getrennt: Vater Aziz A. befindet sich schon zwölf Tage unschuldig in Haft, Mutter Eljheme A., seit zehn Tagen im BKH Erlangen. Die vier Kinder Lumturije (10), Florim (11), Idriz (14) und Zehnepe (16) sind seit acht Tagen im Heim. Die Abschiebung der Familie wird für diese Woche erwartet. Dazu folgende Informationen:

Die Familie Avdija und ihre Flucht

Die Familie Avdija lebte im Kosovo. Sie gehören zur Minderheit der Ashkali. Gleich nach Ende des Kosovokrieges wird der Vater von albanischen Nationalisten erstmals verprügelt. Im vergangenen Jahr wiederholt sich dies wieder. Diesmal wird er so stark verletzt, dass er ärztlich behandelt werden muß. Einen Monat später kommen albanischen Nationalisten wieder zu ihm und drohen ihn zu töten. Sein Haus wird mit Steinen beworfen.

Die Kinder gehen kaum noch aus dem Haus. Sie werden in der Schule bedroht und geschlagen. Bei der Mutter stellen sich erste Anzeichen einer schweren Traumatisierung ein, sie kollabiert und reagiert mit plötzlicher Bewusstlosigkeit auf die bedrohliche Situation. Die ständige Angst um den Ehemann und die Kinder lassen sie krank werden.

Im März letzten Jahres kommt es am 17. und 18. März zu großen albanisch-nationalistischen Ausschreitungen gegen die letzten Dörfer und Ansiedlungen von Roma und Ashkali im Kosovo. Allein in der Heimatregion der Familie Avdija werden 63 Häuser von Ashkali-Familien niedergebrannt. Die vertriebenen Ashkali-Familien werden in ein Lager der französischen KFOR-Truppen gebracht, um dort geschützt zu werden. (weitere Informationen unter www.gfbv.de)
Lange Zeit harrt die Familie in ständiger Angst und Bedrohung aus, bis sie sich zu Beginn dieses Jahres zur Flucht entschließt. Mitte Februar wird sie in Slowenien aufgegriffen und die Avdijas müssen dort einen Asylantrag stellen. Sie werden in ein Flüchtlingslager eingewiesen. Doch der erhoffte Schutz und die Sicherheit bleiben aus. Im Flüchtlingslager treffen sie wieder auf albanische Nationalisten, die dort ebenfalls mit untergebracht sind. Die Angriffe und Drohungen gehen weiter. Die Mutter erhält keine dringend erforderliche psychologische Behandlung. Ihr Zustand verschlechtert sich, die Bewusstlosigkeitszustände treten immer häufiger auf. Die sechszehnjährige Tochter wird von anderen Männern im Lager bedrängt "auf die Straße" zum Anschaffen zu gehen. Sie verschweigt dies aber vor dem Vater. Lediglich die Mutter weiß von ihrer Not.

Die Familie entschließt sich erneut auf die Flucht zu gehen. In Stuttgart werden sie dann Ende März aufgegriffen und werden nach Zirndorf zur Asylantragstellung geschickt. Ihr Antrag auf Durchführung eines Asylverfahrens wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 6. Juni abgelehnt. Die Zentrale Rückführungsstelle Nordbayern (ZRS) leitet das Abschiebungsverfahren nach Slowenien ein.

Ashkali aus dem Kosovo brauchen fortdauernden Flüchtlingsschutz, so die UN-Flüchtlingsorganistion UNHCR in ihren aktuellen Bericht vom März 2005 (Mail-Anhang). UNHCR sieht die Sicherheitssituation im Kosovo insgesamt als "weiterhin zerbrechlich und unberechenbar. Angehörige von Minderheitengemeinschaften sind nach wie vor der Gefahr ethnisch motivierter Zwischenfälle ausgesetzt, bei denen Transporte mit Steinen beworfen, einzelne Personen tätlich angegriffen, belästigt oder eingeschüchtert werden oder bei denen das Eigentum und der Besitz von Angehörigen ethnischer Minderheiten geplündert, zerstört oder illegal in Beschlag genommen wird.....".

Hinzu kommt als "besonders gravierendes Problem in diesem Zusammenhang fehlende Möglichkeiten zur Behandlung psychischer Erkrankungen. Entsprechende Einrichtungen sind völlig unzureichend und decken in keiner Weise den bestehenden großen Bedarf."

UNHCR spricht sich deshalb auch für die besonderen Schutzbedürfnisse von "Personen mit schweren oder chronisch psychischen Erkrankungen einschließlich Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS)-Erkrankungen" aus, "deren Zustand eine qualifizierte medizinische Versorgung erfordert, die im Kosovo derzeit nicht oder nicht in ausreichendem Maße gewährleistet werden kann...".

Bei Frau Eljheme Avdija wird nach ihrer Einlieferung in das BKH Erlangen eine akute Belastungsreaktion bei PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) diagnostiziert. Eine entsprechende spezifische Psychotherapie im Anschluss an den stationären Aufenthalt ist aus medizinischer Sicht angezeigt. Inzwischen konnte eine muttersprachliche Psychologin in Nürnberg gefunden werden, die dies übernehmen könnte.

Sicherheit und Behandlungsmöglichkeit in Slowenien für Familie Avdija gewährleistet?

Bislang verfügt Slowenien über drei Lager für Asylflüchtlinge und Abschiebehäftlinge gleichermaßen: am wichtigsten ist bislang das fremdenpolizeiliche Zentrum in Ljubljana, es hat seine zwei Außenposten – an der neuen EU-Außengrenze – in dem Dorf Prosenjakci bei Murska Sobota sowie auf einem ehemaligen Militärgelände in dem Dorf Veliki Otok bei Postojna . Als besonders menschenunwürdig gilt, auch nach offizieller Diktion, die Behandlung in Ljubljana, wo unter völlig beengten Bedingungen zeitweise 500 Personen untergebracht sind. Hinzu kommt die allgemeine Stimmung der slowenischen Mehrheitsbevölkerung gegen ihre eigenen Minderheiten (z.B. Roma), die sich auch auf die Flüchtlinge mit vermeintlich gleicher ethnischer Zugehörigkeit voll auswirkt.

Dazu nur zwei Schlaglichter: Mitte Mai verfügt der slowenische Unterrichtsminister den getrennten Unterricht von Angehörigen der Roma und den slowenischen Schülern in einer Volksschule in der Stadt Novo Mesto. Anfang Juni sterben eine 46jährige Mutter und ihre 21 Jahre alte Tochter bei einem ethnisch motivierten Handgranatenanschlag in einem slowenischen Dorf, ebenfalls nähe der Stadt Novo Mesto. Bei den Opfern handelt es sich um Angehörige der Roma.

"In Slowenien drohen der Familie keinerlei Repressionen. Die slowenischen Behörden sind, ebenso wie die deutschen, verpflichtet, der Familie die notwendige medizinische Versorgung zukommen zu lassen." So die Regierung von Mittelfranken in ihrer Presseerklärung vom 14. Juni 2005.

Es wäre viel gewonnen, wenn wenigstens die deutschen Behörden ihrer Verpflichtung nachkommen würden.
Doch die deutsche Behördenpraxis wird anders aussehen: In den nächsten Tagen wird die ZRS die Abschiebung der Familie Avdija vollziehen, "dann allerdings mit ärztlicher Begleitung, um weitere Suizidversuche der Mutter zu verhindern." Die vierzehntägige Haftanordnung des Vaters durch das Amtsgericht Fürth würde am Donnerstag enden. Ein neuer Haftantrag hat wenig Aussicht auf richterliche Zustimmung.

Der Internationale Weltflüchtlingstag in Zirndorf fällt aus

Deshalb gibt es keinen Grund für die Asylgruppe St. Rochus Zirndorf den Internationalen Weltflüchtlingstag mit der Enthüllung einer Steinskulptur in der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung am Montag zu feiern. Auch nach fünfzig Jahren Flüchtlingsaufnahme in Zirndorf ist das Recht auf Schutz und Sicherheit von Flüchtlingen immer wieder gefährdet. Eine menschenunwürdige Praxis und familientrennende Maßnahmen durch deutsche Behörden sollten nach sechzig Jahren demokratischer und rechtsstaatlicher Entwicklung eigentlich in Deutschland kein Thema mehr sein.

Erwin Bartsch, Gemeindepädagoge in der evang. Kirchengemeinde Zirndorf und Mitarbeiter der Asylgruppe St.Rochus appelliert an die zuständigen Behörden: das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) soll sein Selbsteintrittsrecht wahrnehmen und das Asylverfahren der Familie aufgrund der schweren Erkrankung der Mutter hier fortführen. die ZRS soll unverzüglich den Haftantrag für den Vater aufheben, damit er wieder für seine Kinder sorgen kann, die Aussetzung der Abschiebung zur Behandlung der Mutter ist medizinische wir rechtlich geboten.

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