04.04.2006

Junger Afghane soll nach Kabul abgeschoben werden

Beckstein startet neue Ära der Abschiebungen nach Afghanistan / 24jähriger Afghane F. am Freitag im Münchner KVR verhaftet / Abschiebung für morgigen Mittwoch geplant

Ein 24jähriger Afghane wurde vergangenen Freitag im Münchner KVR in Abschiebehaft genommen und soll morgen ins Flugzeug gesetzt und abgeschoben werden. Denn Mittwochs geht der Flieger nach Kabul. Obwohl er den innenministeriellen Kriterien für die Altfallregelung für Afghanistan entspräche, wäre er nur 4 Monate und 2 Tage früher nach Deutschland eingereist.

Der Afghane F. wurde am 26.04.1981 in Herat geboren. Nachdem er Ende der 90er Jahre Flugblätter für eine Oppositionspartei verteilt und Verbrechen der Taliban fotografisch dokumentiert hatte, wurde er mehrfach verprügelt und zeitweise inhaftiert. Deshalb flüchtete er nach Deutschland, wo er am 26.10.1999 einreiste. Seitdem arbeitete er als Reinigungskraft, bezog nie Sozialhilfe, wurde nicht als Straftäter auffällig und lebt in einer eigenen Wohnung. Bis 26.11.2005 hatte er eine Aufenthaltsbefugnis, seitdem bekam er nur noch eine Duldung. Als er am 31.03.2006 im KVR vorsprach wurde er in Abschiebehaft genommen.

Altfallregelung greift nicht

Mit Beschluss vom 24.06.2005 hat die Innenministerkonferenz eine Altfallregelung für afghanische Flüchtlinge in Kraft gesetzt. Danach kann einen dauerhaften Aufenthalt bekommen, wer seit mind. 2 Jahren erwerbstätig ist, seinen Unterhalt ohne Sozialhilfe sichern kann, nicht straffällig geworden ist und ausreichenden Wohnraum nachweisen kann. All diese Kriterien erfüllt F., nur nicht das entscheidende: Er ist nicht vor dem 24.06.1999 eingereist, sondern vier Monate und 2 Tage danach.

Gefährdung in Afghanistan

Der Fall Rahman zeigte in den letzten Wochen deutlich, wie es um die Sicherheit von Leib und Leben in Afghanistan bestellt ist. Nur mit großem internationalem Druck konnte ein afghanischer Rückkehrer aus Deutschland der Todesstrafe entrinnen und hat das Asylangebot aus Italien angenommen. Aber nicht nur zum Christentum Konvertierte sind bedroht. Bundeswehr-angehörige der in Afghanistan stationierten ISAF-Truppen, die sich einer steigenden Zahl von Anschlägen ausgesetzt sehen, sehen eine wachsende Gefährdungslage, die von Taliban und Warlords ausgeht. Der Karikaturen-Streit hat auch in afghanischen Städten zu Aufruhr geführt, Hilfsorganisationen ziehen sich zurück, weil selbst in Kabul jeder Europäer das Ziel eines Angriffs sein kann.

Auch das Münchner Verwaltungsgericht sieht in der katastrophalen Lage in Afghanistan ein Abschiebehindernis (s. z.B. M 23 K 03.51524), da die Regierung Karsai „weder in Afghanistan noch in einem Teil Afghanistans ein Gewaltmonopol besitzt“. Die Sicherheitslage selbst in Kabul ist fragil, „es kommt teilweise zu Übergriffen von Polizei- und Sicherheitskräften“. Einzelpersonen ohne unterstützungsbereiten Familienverband sind einer extremen Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt, aufgrund fehlender sozialer Sicherungssysteme sind sie nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt und damit ihre Existenz zu sichern. Das trifft insbesondere auf F. zu, da er keine Angehörigen in Afghanistan mehr hat.

Selbst der Flüchtlingsminister der Regierung in Kabul erklärt offen, dass Afghanistan Rückkehrern keinerlei Unterstützung bieten kann, da keine Wohnungen, geschweige denn Arbeitsmöglichkeiten existieren. Er appelliert an westliche Regierungen, von Abschiebungen abzusehen.

Keine Rücksicht auf Verluste

Doch darauf nimmt das Bayerische Innenministerium in gewohnter Manier keine Rücksicht. Bereits mit Weisung vom 10.02.2005 ordnete Innenminister Günther Beckstein an, volljährige ledige Männer, die nach dem 24.06.1999 eingereist sind, vorrangig abzuschieben. Nach holprigem Beginn intensiviert gerade Bayern seine Anstrengungen, Flüchtlinge nach Afghanistan abzuschieben. Unter den hier lebenden Afghanen verbreitet sich Angst: Wer bei der zuständigen Ausländerbehörde seine Duldung verlängern lassen will, muss jederzeit damit rechnen, sofort festgenommen und abgeschoben zu werden.

Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisiert aufs Schärfste die derzeitige Aufnahme von Abschiebungen nach Afghanistan. „Vorstellungen, die Lage in Afghanistan habe sich stabilisiert, sind Wunschdenken. Innenminister Beckstein sollte die Lebenswirklichkeit in Afghanistan zur Kenntnis nehmen und die unverantwortlichen Abschiebungen nach Kabul unterlassen“, so Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Statt verängstigte Menschen hier in Deutschland ohne Vorwarnung zu verhaften und in den Abschiebeflieger zu stecken, sollte man ihnen eine Bleiberecht einräumen und ihnen eine gesicherte Lebensperspektive bieten.“

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