03.09.2007
Jugendinitiative „J.O.G.“ stoppt Irak-Abschiebungen
Jugendliche Ohne Grenzen, Bayerischer Flüchtlingsrat und Karawane bewegen Airline zum Ausstieg aus Abschiebungen
Keiner der jungen Aktivisten hat letzten Montag daran geglaubt, dass dieser Tag solch einen Erfolg bringen würde. Montag Um 9 Uhr landen sie am Flughafen Frankfurt Hahn. Gerade haben sie eine europaweiten Konferenz für die Rechte irakischer Flüchtlinge in Schweden hinter sich. Dann soll es zurück nach München. Auf dem Weg vom Flughafen nach München noch ein kurzer Zwischenstopp in Frankfurt. Dort treffen sie den hessischen Flüchtlingsrat (HFR) und die Initiative gegen Abschiebung (IGA). Im Gepäck haben sie eine Kampagne gegen die Abschiebe-Airline „Zagros Air“ die sie zusammen mit dem Bayerischen Flüchtlingsrat, Karawane-München, BI Asyl Regensburg, Flüchtlingsforum Regensburg und Münchener Flüchtlingsrat vorbereitet haben. Layout und Finanzierung für 15.000 Protestpostkarten auf deutsch, kurdisch und arabisch stehen. Kontakte für internationale Proteste sind geknüpft. Eine Faxkampagne liegt in der Schublade. Eine Kundgebung vor der Zagros-Air Geschäftsstelle in Frankfurt wird angemeldet und für den 10. September werden gemeinsame Aktionen mit HFR und IGA am Fraport geplant. Denn am 10. September gehen mindestens zwei Abschiebeflüge via Zagros-Air in Richtung Erbil.
Kurz vor der Weiterfahrt nach München dann die spontane Entscheidung Zagros-Air noch einen Besuch abzustatten. Gesagt, getan: Aktivisten von J.O.G., Hessischem Flüchtlingsrat und Karawane-München besuchen die Geschäftsstelle der Airline in Frankfurt. Zwei J.O.G.-Aktivisten werden schließlich zu Frau Balsam El Fauzan, der Geschäftsführerin, vorgelassen.
Von dem Gespräch erwarten wir uns nicht viel. So wird zunächst auch bestritten, dass überhaupt Abschiebungen stattfinden. Dann wird behauptet, dass Zagros gesetzlich dazu verpflichtet sei abzuschieben. Man will die Aktivisten abwimmeln, doch Rebar Hama-Saleh (20) von J.O.G. bleibt stur. „Wir haben mit der vorbereiteten Kampagne und dem Image-Verlust in der irakischen Community gedroht“, so Rebar-Hama Saleh, selber ein Kurde aus dem Irak. „Ich habe gesagt: Sie haben doch Bilder von kurdischen Widerstandskämpfern an der Wand hängen, wir sind doch auf einer Seite“. Plötzlich zeigt auch die Geschäftsführerin persönliche Betroffenheit, erzählt selber von Bekannten, die als Flüchtlinge in Deutschland sind. Nach 45 Minuten kommt das Einlenken: „Wir werden keine Abschiebungen mehr durchführen.“, erklärt Frau Balsam El Fauzan. Sie müsse das jedoch mit der Hauptgeschäftsstelle der Zagros-Group in Erbil abklären.
Der Bayerische Flüchtlingsrat legt am Dienstag nach und setzt Zagros-Air schriftlich eine Frist bis zum 03.09. um öffentlich den Ausstieg aus den Abschiebungen zu erklären, ansonsten würde die Kampagne stattfinden. Die Karawane-München und J.O.G. organisieren Protestanrufe aus ganz Europa bei Zagros-Air in Erbil, die ersten Journalisten fragen bei der Airline an. Der Druck wächst. Dann kommt am Montag den 03.09., ein Fax von Zagros Air: „Laut unserem Gespräch von letzter Woche habe ich, Frau Balsam El Fauzan, mit dem Chef der Linie Zagros Air über die Abschiebungen gesprochen. Unsere Firma hat sich entschieden, ab dem 10. September 2007 keine Abschiebungen Depos in den Irak zu akzeptieren“. (Fax von Zagros-Air, 03.09.2007)
Jetzt wird die Bundespolizei es sehr schwer haben Abschiebungen durchzuführen, denn aus Deutschland fliegen kaum Airlines in den Irak. Austrian Airlines haben ihre Flüge eingestellt nachdem sie beschossen wurden, Zozik-Air, die von München nach Suleymania fliegt hatte bereits gegenüber J.O.G. erklärt, sich an solchen „Schweinereien“ nicht zu beteiligen. Schließlich bleibt als letzte Möglichkeit, dass die Bundespolizei selbst Abschiebeflüge organisiert.
Die Kampagne gegen Irak-Abschiebungen ist daher noch lange nicht am Ende. 70.000 Irakerinnen in Deutschland sind potentiell von Abschiebungen bedroht, da sie keinen gesicherten Aufenthalt haben. 11.000 Iraker wurde die Abschiebung bereits angekündigt. (vgl. Bundestagsdrucksache 16/2419 und www.irak.antira.info/widerrufsverfahren) Da Abschiebungen jedoch auf absehbare Zeit nicht möglich sind, erhalten viele Iraker den Status der Duldung, mit dem die „Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise“ gefördert werden soll. Was dass konkret heißt, erklärt Rebar Hama-Saleh von J.O.G.: „Da die Flüchtlinge nicht abgeschoben werden können, sollen sie durch Arbeitsverbote, Lagerunterbringung, Residenzpflicht und Versorgung mit Sachleistungen soweit zermürbt werden, dass sie freiwillig ausreisen.“
„Wir fordern ein Aufenthaltsrecht für irakische Flüchtlinge. Diese Politik der Zermürbung und Abschiebung ist nicht nur ein Verstoß gegen internationales Flüchtlingsrecht, sondern zynisch und menschenverachtend.“, erklärt Rebar Hama-Saleh. „In einer Situation mit 700.000 Binnenflüchtlingen im Irak, 1.5 Millionen Flüchtlingen in Syrien und einer Millionen in Jordanien, ist es beschämend zu sehen, dass Deutschland nicht einmal den 70.000 Irakern, die es bis hierher geschafft haben, Schutz gewährt.“
Weitere Informationen und Bilder zu dem Thema auf der Kampagnen-Seite: irak.antira.info