23.11.2018

Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen - Flüchtlingsunterkünfte begünstigen Gewalt

Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen: Bayerischer Flüchtlingsrat fordert rechtlich verbindliche und flächendeckende Umsetzung der Gewaltschutzkonzepte

Über 40% der Asylbewerber*innen in Deutschland sind laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) weiblich. Viele haben bereits in ihren Heimatländern und auf der Flucht Gewalt erfahren. Frauen* sind besonders von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen, wie Genitalverstümmelung, Zwangsheirat oder Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und zählen daher zu den besonders schutzbedürftigen Gruppen. Geflüchtete Frauen* kommen mit starken Belastungen aufgrund sexualisierter Diskriminierung und Gewalt und häufig schwer traumatisiert nach Deutschland.

In Bayern werden sie in Anker Zentren und teilweise in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht- gemischtgeschlechtlich. Frauenspezifische Einrichtungen gibt es kaum. Berichte von Expert*innen bestätigen, dass die Größe, lange Aufenthaltsdauer und Art von Massenunterkünften gewaltbegünstigend sind und zu einer Verschärfung psychosozialer Probleme führen. Aufgrund ihrer Vorerfahrungen ist diese Situation für viele Frauen* besonders belastend. Es fehlt an Privatsphäre, Rückzugsmöglichkeiten und Schutz. Aus angeblichen Brandschutz- oder Belegungsgründen können Zimmer und sanitäre Anlagen nicht in allen Einrichtungen abgeschlossen werden. Stattdessen wird mehr Sicherheitspersonal eingesetzt.
Sexualisierte Gewalt und Belästigungen in Sammelunterkünften werden in der Öffentlichkeit kaum thematisiert. Opfer von Gewalt sind oft allein gelassen. Durch die abgelegene Lage und schlechte infrastrukturelle Anbindung der Unterkünfte außerhalb von Großstädten ist der Zugang zu Beratung und Unterstützung erschwert oder verhindert. In Anker Zentren ist auch ehrenamtliches Engagement eingeschränkt möglich und somit fehlt es an potentiellen Vertrauenspersonen und Unterstützung.  Externe und interne Beschwerdemechanismen sind meist nicht vorgesehen.

„Massenunterkünfte befördern Gewalt und Unsicherheit für Frauen. Viele Probleme sind somit von der Staatsregierung hausgemacht und könnten durch dezentrale Unterbringung, eine flächendeckende Beratungsstruktur sowie die konsequente Umsetzung von Gewaltschutzkonzepten verhindert werden.“ so Jana Weidhaase vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Solange diese Unterkünfte allerdings bestehen, müssen die Mindeststandards zum Gewaltschutz bundesweit und rechtsverbindlich in allen Unterkünften umgesetzt werden, die relevanten Akteur*innen im Flucht- und Antigewaltbereich müssen besser vernetzt und rechtliche Normen zum Gewaltschutz im Asylverfahren angepasst werden. Zudem sind mehr frauenspezifische und separate Unterbringungen von (alleinreisenden) Frauen notwendig.“

Der Bayerische Flüchtlingsrat begrüßt das seit Oktober bestehende „Bayerische Schutzkonzept der Unterbringungsverwaltung zur Prävention von Gewalt“ des Bayerischen Innenministeriums. Allerdings haben die Handlungsgrundsätze und Maßnahmen keinen rechtlich bindenden Charakter und sind vage formuliert. Damit dies keine leeren Worte bleiben, braucht es eine konkrete und transparente Umsetzungsstrategie. Masseneinrichtungen an sich werden nicht in Frage gestellt, sondern verfestigt.

Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen beteiligt sich der Bayerische Flüchtlingsrat an der Demonstration von der Münchner Freiheit zum Odeonsplatz am 25.11. 2018 ab 14 Uhr und fordert die Abschaffung von Anker Zentren und anderen Massenunterkünften, deren Art und Dauer der Unterbringung gewaltbegünstigende Strukturen manifestieren. In seinem Projekt We talk! Women fight violence qualifiziert der Bayerische Flüchtlingsrat ab Dezember ehrenamtliche Frauen mit und ohne Fluchthintergrund, damit diese vor Ort aktiv werden können und ganz praktische Unterstützung leisten können.


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